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“Stirbt die Biene, stirbt der Mensch…³

Eine Ergänzung zum internationalen Gabrielle Lippmann Symposium “Bienen: Agrikultur und Biodiversität³

vom 17. +18. 11. 2007 in Mamer/Capellen / Luxemburg.

Ob die markante und vielzitierte Aussage tatsächlich von Einstein stammt sei dahin gestellt und ist eigentlich unbedeutend. Biologen in aller Welt schlagen seit etlichen Jahren Alarm: Der Industrialisierung folgt, für die Mehrzahl der Menschen im Verborgenen, ein beängstigender Schwund an Lebensarten und Lebensformen in Fauna und Flora. Auch die mit 80 Prozent der Biomasse erfolgreichste Lebensform, die Insekten, ist betroffen. Am augenscheinlichsten und auffälligsten für jeden Naturfreund ist die Abnahme der Bestäuberinsekten in unseren Ziergärten und Obstanlagen.
Bestäuberinsekten haben im Laufe der Evolution eine Schlüsselstellung errungen: Achtzig Prozent aller Pflanzenarten sind bei der Samenbildung auf Fremdbestäubung angewiesen. Sie haben, um Insektenbeflug zu erreichen, faszinierende Techniken entwickelt. Parallel hierzu evoluierten hunderte Arten von – meist solitär lebenden – Wildbienen, darunter wahre Bestäuberspezialisten. Allgegenwärtig und gleichsam überragend in diesem Gefüge die “Generalistin³ in Bestäubungsfragen, die staatenbildende Honigbiene als die vollkommene soziale Lebensform: Das Bestäubungssystem liegt wie ein haltendes Netz über Natur- und Kulturlandschaft. Dieses engmaschige lebensspendende Netz wird angesichts der forcierten Veränderungen der Kulturlandschaft der vergangenen Jahrzehnte zunehmend weitmaschig und hierdurch instabil, mit den oben zitierten Folgen. Die soziale Lebensform der Honigbiene ist das Ergebnis einer über 40 millionenjährigen Evolution, sie gilt allgemein als ausgereift und sehr stabil. Die Honigbiene fungiert somit als zuverlässiger Bioindikator. Das Bienensterben, durch das oben zitierte vermeintliche Einstein Zitat medial hochgepusht, löst daher nicht nur bei Wissenschaftlern weltweit Unbehagen aus. Jeder monokausale Erklärungsversuch des Phänomens “Bienensterben³ wird aber an der komplexen Realität vorbeigehen.

Einflüsse von Außen, – das veränderte Umfeld

Unsere Kulturlandschaft ist seit Jahrhunderten einem ständigen Wandel unterworfen. Man betrachte alte Fotos und vergleiche beispielsweise die ungleich kleinere Strukturierung zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, sichtbar durch die versetzten Abholzungsphasen in Waldgebieten. Die heutigen geschlossenen und überalterten Waldgebiete bieten zweifelsfrei nicht annähernd vergleichbaren biologisch vielfältigen Lebensraum. Die politisch gewollte globale Billiglebensmittelproduktion führt unweigerlich zu immer ausgeprägterer Industrialisierung der Landwirtschaft. Diese wiederum kann nur einhergehen mit Rationalisierung. Billigproduktion setzt Mechanisierung voraus. Große Monokulturen und der Einsatz von Pestiziden sind unabdingbar in einer Gesellschaft, die nur noch gut 10% ihres Einkommens für Ernährung ausgeben möchte. Wie hoch der gesellschaftliche Druck auf die Landwirtschaft ist, zeigt die rezente Diskussion um die Erhöhung der Preise von Milchprodukten. Die direkten und indirekten Negativeffekte (Pestizidverschmutzung und Artenschwund) werden, weil vorerst unsichtbar, von Politik und Gesellschaft unbewusst in Kauf genommen.
Für die gesamte Insektenwelt geradezu fatal (weil kaum selektiv anwendbar) ist der zunehmend großflächige Einsatz von hochspeziellen verborgenen Insektiziden. So kann etwa die spezifische (u. a. Imidacloprid/Gaucho) Beizung des Saatguts die viel später heranwachsende Kulturpflanze vor Schadlausbefall schützen. Der Verdacht ausgeprägter Nebenwirkungen auf das gesamte Bodenleben und auf eine Reihe von Nutzinsekten ist französischen Studien zufolge berechtigt. Noch dramatischer wird der Einsatz von gewissen genveränderten Pflanzen gewertet. Der Zünslerresistente “BT Mais³ etwa hindert nicht nur die Larven des Maiszünslers an der Entwicklung sondern auch Nutzinsekten, die eine große Rolle bei der natürlichen Schädlingsbekämpfung spielen, zum Beispiel, Wespen, Ameisen oder Spinnen. Damit nicht genug: Derartiger Maispollen, von Insekten im Spätjahr als eiweißhaltige Brutnahrung eingesammelt, steht ebenso im Verdacht entwicklungshemmend zu wirken. Im Darm von Köcherfliegenlarven beispielsweise fanden Forscher BT Maispollen. Diese Larven wuchsen nur halb so schnell heran, wie Larven, die genetisch unveränderten Maispollen fraßen (Jennifer Tank, 2007). Auch Honigbienen sammeln im Spätsommer Maispollen für die Aufzucht der Herbst- und Winterbrut ein. Mittlerweile belegt sind auch die verheerenden Wirkungen von sogenannten Entwicklungshemmern aus dem Obstbau. Geschädigt wird auch hier nicht nur die Metamorphose der Schädlinge der Obstfrüchte sondern genauso auch die der Nutzinsekten.

Die Imkerei befindet sich interessanterweise in einer paradoxen Situation: Von Menschenhand geschaffene großflächige Pflanzenschläge in Wald und Flur bieten der Honigbiene nie da gewesene Tracht, trotz aller Risiken und selbst dann, wenn außerhalb der Trachtzeit aufgrund der Verarmung keine eigentliche Lebensgrundlage mehr vorhanden ist. In Kauf genommen werden muss, durch den Artenschwund bei Pflanzen, eine schwindende Vielfalt der Ernährungsgrundlage Nektar und Pollen. Bienen befliegen einen Radius von rund 5 km Luftlinie. Dem sesshaften Bienenvolk ist keine Möglichkeit gegeben, sich seinem Umfeld zu entziehen. Negativeinflüsse von Außen provozieren im Bienenvolk extreme Stresssituationen. In Stresssituationen aber werden Schwachstellen eines Systems bloßgelegt und sichtbar. Erwähnt werden müssen in diesem Zusammenhang daher

die imkerlich -betriebstechnischen Negativeinflüsse auf die Vitalität der Honigbiene

Direkte imkerliche Einflüsse in den Lebensablauf der Honigbiene begannen in der westlichen Welt Ende des 19. Jahrhunderts durch die Erfindung der Wabenrähmchen durch Lorenzo Langstroth (1810-1895). Das geheimnisumwitterte Innenleben des Bienenvolkes konnte nun erforscht werden. Die praktische Imkerei wurde bienenschonender, aber auch der Manipulation des Bienenvolkes war Tür und Tor geöffnet. Die Überwinterung der Bienenvölker mit Haushaltszucker im Austausch zum ungleich wertvolleren Honig (Freudenstein 1863 – 1935), heute Grundlage aller Imkerei in gemäßigten und nördlichen Zonen, muss als Beginn einer neuen Epoche im Verhältnis Honigbiene zur Kulturlandschaft und Mensch gesehen werden (siehe weiter unten). Zweifelsfrei gehört heutige Bienenhaltung in unterschiedlichem Ausmaß in die Kategorie Massentierhaltung, ist selbst bei nur 8 bis 10 Völkern pro Standort unnatürlich, dies obwohl unsere Kulturlandschaft örtlich und zeitspezifisch oft nach noch konzentrierterer Massenbestäubung verlangt. Die Betriebstechnik der heutigen Imkerei trägt diesem Umstand keine Rechnung. Anstelle von ganzjähriger Pflege eines stabilen Bestandes wird der Völkervermehrung im Jahresablauf zu viel Bedeutung beigemessen, mit dem Resultat großer Bienendichten im Spätjahr, also zu einem Zeitraum wo die natürlichen Nahrungsquellen für Bienen versiegen. Die oft geforderte höhere Honigbienendichte in westlichen Ländern entspricht generell nicht der realen Einschätzung der natürlichen Bestäubungsbedürfnisse noch der eines ganzjährigen Nahrungsangebotes.

Hinzu kommt die Belastung durch die Varroamilbe, sowie deren fachlich oft fragwürdigen Bekämpfungspraktiken. Der Befall dieser vor 25 Jahren massiv von der Schwesternbienenart Apis Cerana übergewechselten Bienen- und Brutmilbe verursacht und begünstigt im Mehrjahresrhythmus das epidemiehafte Auftreten gewisser viraler und bakterieller Sekundärinfektionen, dies besonders jeweils gegen Ende der Saison, also zu einem Zeitpunkt hoher Bienendichte und geringem und oft einseitigem bis ungeeignetem Pollenangebot.

Imkerei in unserer Kulturlandschaft wird zunehmend vergleichbar mit moderner Tierhaltung. Erfolgreiche moderne Tierhaltung setzt neben hohem Fachwissen entsprechende Hygienemaßnahmen voraus, in erster Linie um der unkontrollierten Ausbreitung von Parasiten und Krankheitskeimen Einhalt zu gebieten. Zum Glück ist der Imker bei letzterem nicht auf die permanente Anwendung harter Chemie angewiesen. Der Hygiene im Bienenvolk sowie Hygiene im Imkereibetrieb, allem voran der arbeitsaufwendigen Wachs-Wabenhygiene sowie der fachkundigen Beutenreinigung kommt in der heutigen Imkerei aber leider in der Regel sehr wenig Bedeutung bei.

Die unbedachten Einflüsse der Domestizierung der Honigbiene

Mag sein, dass heute einem Großteil der Bevölkerung in der westlichen Welt der ständige Kampf ums Überleben in der Natur fremd geworden ist und weitgehend verdrängt wird. Der ständige Kampf ums Überleben passt eben nicht in ein sanftes öko- Weltbild. Dennoch bildet er die Grundlage reinigender Selektion und einer weitgehend gesunden Artenvielfalt. Das Umfeld befindet sich inmitten einer ständigen unaufhaltbaren Evolution. Ich sehe es als eine Pflicht zukunftsträchtiger Imkerei an, sich der Herausforderung der Anpassung unserer Bienen an die sich ändernde Kulturlandschaft zu stellen. Grundlage von Vitalität, Lebenskraft und Entwicklungsrhythmus ist, neben der Ernährung, die Genetik. Die Genetik befasst sich mit dem Leben selbst. Sie ist somit ein Ansatzpunkt für den Hebel unseres Schaffens. Züchtung kann zu kreativer, schöpferischer, aber ebenso zu lebenserhaltender Tätigkeit werden. Fakt ist aber:

Der Mensch begann vor rund 100 Jahren die unerbittliche Naturauslese bei der Honigbiene weitestgehend ersatzlos auszuschalten: Völker mit schlechter Leistung wurden und werden im Herbst begünstigt und stärker gefüttert, Völker mit zu geringer Vitalität im Frühjahr aufgepäppelt und verstärkt. Was gerade mal überlebt, lebt weiter und verbreitet so verweichlichte Genkomplexe in die Landpopulationen der Honigbiene. Diese fehlende Breitenselektion, speziell auf Krankheitsfestigkeit und Vitalität, zeigt in etlichen westlichen Ländern im Zeitverlauf von 100 Jahren ihre unmissverständlich negativen Folgen in Form von verweichlichten Bienenpopulationen, welche den Stressfaktoren, hervorgerufen durch Imker und Umfeld oft nicht gewachsen sind. Mir sind diese Folgen aus eigener Erfahrung zu Beginn meiner imkerlichen Tätigkeit Ende der 1960 er und der 1970 er Jahre in bester Erinnerung.

Das verdrängte uneingestandene Desaster in Züchtungsfragen

Erste Ansätze systematischer Zucht zu Beginn des vorigen Jahrhunderts im Nord- wie südalpinen Raum scheiterten am unerkannten Paarungsverhalten der Honigbiene. Entsprechend dem damaligen deutschen Zeitgeist stand ab den 1930 er Jahren die Rassentreue und die damit einhergehende Merkmalsbeurteilung des Exterieurs im Vordergrund aller Mühe. Der Wissenschaftlerstab wurde getreu nach NS Ideologie von seinen klügsten, bereits damals warnenden Köpfen gesäubert. Aber auch nach dem zweiten Weltkrieg ging die ideologisierte Sport/Rassenzucht (Zit. Armbruster), vorbei an den imkerlichen Bedürfnissen, im deutschen Sprachraum unvermindert weiter. Nun aber nicht mehr an der einheimischen sogenannten Nordbiene, sondern überwiegend an südalpinen Varianten aus Österreich und dem Balkan. Der wissenschaftlich geförderte und bis heute mit öffentlichen Mitteln finanzierte Reinzuchtfanatismus, in der Fachliteratur des vorigen Jahrhunderts gut belegt, gipfelte in einem Züchtungsdesaster sondergleichen: Den periodischen und teilweise dramatischen Völkerverlusten der 1960 er Jahre folgte einzig aus Impulsen der Berufsimkerpraxis heraus und gegen den massiven Einfluss der etablierten Wissenschaft, bei Berufsimkern die grundlegende Abkehr von Zucht- und Betriebstechnik der Nachkriegszeit im deutschen Sprachraum. Leider fehlte die Konsequenz der Einflussnahme auf die gesamte Imkerei. Bis heute geblieben sind nämlich die vielfach ideologisierten Zuchtprogramme der Freizeitimkerverbände: Unter weitgehender Missachtung der populationsgenetischen Bedürfnisse der Bienen werden an oft verschwindend kleinen Beständen genetisch eingeengte Rassenreinzuchten erstellt und der breiten Imkerschaft zwecks Breitenvermehrung zur Verfügung gestellt. Belegt wurde die fehlende genetische Anpassung an verändertes Klima, Krankheiten und Parasiten dieser Bienenherkünfte eher ungewollt in einem Varroose -Überlebenstest an 14 europäischen Bienenherkünften in den Jahren 2000 bis 2003 (Büchler et al.)auf der kroatischen Insel Unije: Die Mehrzahl aller Völker überlebte den ersten Winter aufgrund von Varroose- und Virenbefall nicht. Die bei weitem besten Überlebensergebnisse erzielten trotz widrigster Umstände die auf privatwirtschaftlicher Basis gezüchteten Kombinationszuchten aus Luxemburg – Deutschland und aus Frankreich. Diese Ergebnisse sind weltweit vielfach bestätigt durch Erfahrungen und Befunde solider Imkerpraxis.

Massive Herbst- und Winterverluste

Die erwähnten Versuchsergebnisse stellen nicht mehr dar als ein Fingerzeig. Massive Herbst- und Winterverluste wie sie bei Honigbienen heute weltweit zu verzeichnen sind, müssen als Ergebnis multifaktorieller Missstände gesehen werden. Obwohl die Imkereistruktur bei uns im Vergleich zu Überseeländern unvergleichlich ist, zeigen sich weltweit gewisse Parallelen: Der durch die erwähnten äußeren Umstände geschwächte und an neue Gegebenheiten genetisch schlecht angepasste Superorganismus Bienenvolk reagiert empfindlich und für viele Imker unberechenbar auf scheinbar harmlose Versäumnisse. Gesellen sich im Jahresablauf beispielsweise zu ungeeigneter Nahrungsgrundlage (ungeeignete Pollennahrung) und schädigenden Einflüssen von außen, im Spätjahr Varroamilben, gegen welche die Honigbiene bis dato zu wenig Gegenwehr besitzt, und damit einhergehend Virenbefall, steht der Imker innerhalb weniger Tage ratlos vor leeren Bienenkästen.

Gegen die erwähnten und verdrängten Negativeinflüsse unserer Industriegesellschaft ist der einzelne Imker natürlich machtlos. Gemeinsam, und als Teil der Landwirtschaft, sitzen Imker mit Landwirten langfristig im gleichen Boot. Eine finanzwirtschaftliche und politische Aufwertung der Nahrungsmittelproduktion ist die Voraussetzung nachhaltiger Produktionsmethoden. Als politisch gesellschaftliche Zielsetzung bedürfte dies langem Atem und Weitsicht. Derzeit und bis auf Weiteres hat im menschlichen Bewusstsein der westlichen Länder allerdings Freizeitgestaltung und Mobilität jeglicher Art Vorrang, trotz aller verbalen Beteuerungen um Artenschwund und Klimawandel.

Grundlage aller Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Produktion (inklusive Imkerei) ist m.E. der Erhalt und der Respekt der Biodiversität, der Lebens- und Artenvielfalt. Dies ist für viele Menschen, fixiert und getrieben auf ihre eigene Produktionsoptimierung in allen Sparten, offenbar schwer verständlich. Auch die genetisch verschiedenen Bienenherkünfte sind weltweit in ihrem Bestand nicht nur weitgehend verweichlicht, sondern auch ernsthaft gefährdet. Gerade deshalb sind es weder ideologisierte Rahmenkämpfe noch eine folkloristisch anmutende Bienenkorbromantik welche der Imkerei neue Perspektiven verleihen können. Vielmehr ginge es, wie auch in der Landwirtschaft, um eine weitsichtige, solide, fachlich hochwertige und zeitgemäße Ausbildung der Basis.

Genreservate und Biodiversität auch für Honigbienen.

Beim Halbwildtier Biene müssen die Zuchtziele Vitalität und die Krankheitsresistenz allen zusätzlichen Zielen vorangehen. Nachhaltige imkerliche Selektion der Honigbienen in Kulturlandschaften orientiert ihre wesentlichen Zuchtziele des weiteren zwangsläufig an eben dieser sich ändernden Kulturlandschaft. Sie muss genau dies tun, um erfolgreich zu sein. Zuchtarbeit entfernt die jeweiligen Populationen logischerweise genetisch von ihrem Ausgangspunkt hin zu den jeweiligen Zuchtzielen. In Kulturlandschaften ähnelt sich das Umfeld weltweit zunehmend – und in Folge die Mehrzahl der Zuchtziele. Genau hierdurch leidet die einstige genetische Vielfalt der Bienenherkünfte. Wenn heute nun gezielt bestimmten Zuchtstämmen der einstigen europäischen Bienenherkünfte mit dem Begriff “Naturrasse³ eine besondere Urigkeit suggeriert wird, müssen angesichts der in der Praxis erzielten Ergebnisse und angesichts der massiven Verluste Zweifel erlaubt sein. Mit den einstigen Naturrassen der jeweiligen europäischen Länder könnte man in weiten Teilen unserer Kulturlandschaften keinen Honig ernten. Auch das äußere Erscheinungsbild, sowohl oft als Zeugnis für Rassenzugehörigkeit wie für Qualität aufgerufen, kann einer halbwegs kritischen Betrachtung über die Jahrzehnte nicht standhalten, ganz abgesehen davon, dass es in der Natur nie eine Rolle spielte. Unter völliger Missachtung dieser Gegebenheiten sowie der Tatsache regen Bienenhandels, Import und Export über ein Jahrhundert lang, wurde kürzlich in Österreich (Kärnten) unter tatkräftigem Mitwirken deutscher Wissenschaftler ein neues Landesrassengesetz erlassen, dies unter dem Vorwand des Erhalts besonderer Genresourcen. Gegen den erklärten Willen der ortsansässigen Berufsimkerschaft steht erneut nicht die Vitalität und Krankheitsfestigkeit aller vorhandenen guten Honigbienenstämme sondern die “Reinheit der Rasse³ im Vordergrund. Der Begriff “natürliche³ oder “naturnahe³ Population wird emotional gebraucht und klar missbraucht für zweifelhafte Zwecke. Dem Erhalt wertvoller Genresourcen wird so jedenfalls erneut und definitiv nicht nachgekommen. Logischerweise ginge es hier um

eine Renaturierung einstiger geographischer Rassen.

Die entwicklungsgeschichtlich rezentere Wiege der Honigbiene liegt in Afrika, dem gesamten Mittelmeerraum, dem Balkan sowie dem westlichen Asien. In diesen jeweiligen Ursprungsländern, eventuell zusätzlich dem nordöstlichen Europa, könnten und sollten tatsächlich Reservate eingerichtet werden: Natürlich abgegrenzte und gleichzeitig gut überschaubare Gebiete, welche naturgegeben nur ein Minimum an Landwirtschaft gestatten, sind in etlichen Ländern mit interessanten Bienenpopulationen vorhanden. Hier könnte in Reservaten mit einem Minimum imkerlicher Betriebsweise und sonstiger menschlicher Einwirkung eine weitgehend natürliche Selektion stattfinden, könnten von Natur aus also Populationen geformt, – oder richtiger – zurückgeformt werden. Für derartige Projekte sind weder geschützte Ländergrenzen noch ist die Blockade riesiger Trachtgebiete notwendig. Vielmehr ginge es um gut entschädigtes Miteinander mit der jeweiligen Imkerbasis, vor Allem der Imkerbasis, welche sich unter Ertragseinbußen derartiger Arbeit hingeben würde. Fachkundiger Realismus und das nötige Gefühl für Bienen und deren Bedürfnisse bei der begleitenden Wissenschaft wären ebenso vonnöten. Eine reizende und sinnvolle Aufgabe für die Wissenschaft und Praxis wäre es allemal.

Paul Jungels
apisjungels @vo.lo
Februar 2008