Bruthygiene und Varroa Sensitiv Hygiene

Bruthygiene und Varroa Sensitiv Hygiene in der praktischen Zuchtauslese


 

Bruthygiene und Varroa Sensitiv Hygiene in der praktischen Zuchtauslese

 

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Veröffentlicht im …
der Buckfastimker,
2014(4)
auf   Paul Jungels,

Paul Jungels

LU-9361 Brandenbourg

Den Beobachter setzt es immer wieder in Erstaunen was Bienenvölker alles können.

Mich überrascht aber auch was sie gelegentlich nicht tun oder scheinbar zu gewissen Zeiten vergessen zu tun. Hierzu zählt zum Beispiel das Verhalten bei Brutkrankheiten. Besonders nach intensiver Sommertracht, wenn die Arbeiterinnen eines Volkes alle auf Honigproduktion „abgerichtet“ sind, dauert es oft eine ganze Weile bis die lebenswichtige Brutpflege erneut zur Volkspriorität wird. Mir scheint dann immer, es müsse eine neue Bienengeneration geboren werden um die intensive Pflege der Winterbienen einzuläuten. Besonders in dieser Nachtrachtphase Ende Juli, aber ab und zu ebenso während oder kurz nach der intensiven Phase der Frühtracht, kann der aufmerksame Imker in fast allen Völkern Brutanomalien mit bloßem Auge sehen, so er sich die Zeit nimmt und genau hinschaut. In manchen Völkern hingegen erkennt man außer verstärktem Auftreten von Brutlücken, vornehmlich auf verdeckelten Brutflächen kurz vor dem Schlupf der Jungbienen, kaum Schwächen. Sicher sind Bienenvölker erst einmal unterschiedlich anfällig für Krankheiten, auch Brutkrankheiten, und sicher können solche Anfälligkeiten direkt oder indirekt genetisch bedingt sein.

Aber darum soll es hier nun nicht gehen. Vielmehr interessiert hier die Reaktionsfähigkeit des Volkes im Falle des Falles. Die Betonung liegt eindringlich auf „Volk“.

Völker mit gesundem Reaktionsvermögen räumen nämlich kranke offene und verdeckelte Brut aus und verhindern somit weitgehend ein seuchenhaftes Ausbreiten von Brutkrankheiten. Da diese Eigenschaften eine hohe Erblichkeit zeigen (Rothenbuhler 1964, Van Praagh 1994 und 1999), liegt es nahe sie in Zuchtlinien durch gezielte Auslese und Verpaarung zu intensivieren.

Ähnliches gilt für die Varroa Sensitiv Hygiene (VSH) (Bob Danka, Tom Rinderer 2013). VSH Völker räumen Brutzellen, in welchen sich Varroamilben erfolgreich vermehrt haben aus und stören dadurch die ungebremste Varroavermehrung empfindlich, mit dem Resultat dass sie kaum an den Folgen eigener Varroavermehrung und deren Folgekrankheiten wie Brut- und Bienenviren, oder gutartiger Faulbrut zu Grunde gehen können.

Es sollte auch erwähnt werden, dass unterschiedliche Gene für die Impulse zum Öffnen und andererseits dem Ausräumen der Zellen zugrunde liegen. Weil dem so ist, liegt die Vermutung nahe, dass beide Eigenschaften aus genetischer Sicht doch mehr Überschneidung zeigen als manche Wissenschaftler heute vermuten (Ralph Büchler, pers. Mitteilungen, bestätigte eigene Erfahrungen).

Sind beide Eigenschaften in einem Zuchtstamm vereinigt, darf man davon ausgehen, dass diese Völker weitgehend varroaresistent sein werden. Die im FUAL Zuchtprogramm vorgegebene Richtlinie, Völker zu vermehren welche bei guter und selbst hoher Brutleistung eine relativ geringe Varroavermehrung bis Ende der Saison vorweisen ist also richtig. Sicher ist auch, dass es Völker gibt, in welchen die Vermehrung der Milben in der Brut an sich nicht oder kaum stattfindet, die Milben bleiben zu hohem Prozentsatz unfruchtbar. Dieser Umstand kann auch ungeklärte physiologisch/saisonale Ursachen haben.
Richtig gewesen ist genauso der verstärkte Einsatz Hygiene geprüfter Drohnenspender bei den Besamungsaktionen 2008, 2010, 2011 und 2012.
In wenigen Jahren sollen ebenfalls VSH-geprüfte Drohnenvölker der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Die Probleme und Tücken der Auslese derartiger Völker versteht man besser mit einigem Hintergrundwissen.

Das Bienenvolk als Lebensgemeinschaft

Stellen wir uns ein Bienenvolk vor welches, um nur bei diesem Thema zu bleiben, kranke Brutzellen ausräumt und somit die zufällige Infektion mit Erregern von Brutkrankheiten besser übersteht als alle anderen, gesund bleibt, ohne klinische Symptome. Wir ziehen vom betreffenden Volk nach und hegen hohe Erwartungen an die Nachzucht. Oft werden diese aber enttäuscht. Was kann passieren?
In recht vereinfachter Darstellung (Genetiker und Biologen werden es entschuldigen) einige Möglichkeiten:

Das Bienenvolk besteht aus Arbeiterinnen, welche zur Hälfte Chromosome (mit den Erbanlagen) ihrer Mutter, der Königin des Volkes in sich tragen, zur anderen Hälfte die der Drohnen (Spermien welche die Eier befruchten) aus der Spermatheka der Königin. Hatten 24 Drohnen die Königin begattet, sind es 24 Gruppen von Spermien, welche unter sich je zu 100 % erblich identisch sind (Jungfernzeugung der Drohnen).

Bienenvolk van Praagh

Abb. 1.  Das VOLK besteht zur Hälfte aus reduzierten Eivarianten der Königin (Regenbogenzentrum) und aus (±15 bis 24) Gruppen von unter sich identischen Spermien der Drohnenseite (Spermatheka) (Grafik Van Praagh)

Verschiedene Möglichkeiten sind gegeben:

  • War die Königin für die betreffende Eigenschaft reinerbig, sind die erwünschten Erbanlagen in jedem Ei nach der Reduktionsteilung der Chromosome vorhanden. Also in jedem Drohn (= reduziertes Ei) dieses Volkes. Und natürlich in jeder Biene/Königin schon mal seitens der Königin.
  • War die Königin für die betreffende Eigenschaft gemischterbig, so entstehen bei der Eibildung je 50% Eier mit und 50% ohne die erwünschten Gene.

Die Eier welche Bienen oder Königinnen hervorbringen sollen werden allerdings befruchtet. In unserem Beispiel waren es 24 Drohnen, welche am Füllen der Spermablase beteiligt waren. 24 Gruppen von unter sich identischen Spermien. Einige Möglichkeiten ergeben sich:

Einer, mehrere oder alle Drohnen hatten die erwünschten Erbanlagen. Nun kann man sich die Varianten im Volk ausmalen: Bei Reinerbigkeit der Königin bezüglich Merkmal, bei Gemischterbigkeit der Königin bezüglich Merkmal und zusätzlich bei den Drohnengruppen. Der Fachmann spricht vom Genotyp, das was in den Genen liegt.

Vererben die Merkmale dominant, „wirken“ sie bei der Arbeiterin wenn sie von einer Seite, Ei (von der Königin) oder Sperma (Drohn, Sperma aus der Spermatheka) stammen. Vererben sie jedoch rezessiv, dann müssen sie von beiden Elternteilen übergeben worden sein, also im Ei und im Spermium gewesen sein. Eine dritte Variante ist möglich, sie vererben additiv, je mehr davon in den Arbeiterinnen (und damit im Volk) vorhanden sind, desto ausgeprägter zeigt sich die Eigenschaft. Letzteres ist fast immer zusätzlich gegeben, da kaum eine sichtbare Eigenschaft auf ein einziges Gen zurück geht sondern auf Gruppen, welche sich ergänzen.

Ein gutes Bienenvolk besteht aus 50 000 Arbeiterinnen welche das sichtbare Eigenschaftspotential ausmachen. Die sichtbaren Eigenschaften nennt der Fachmann Phänotyp. Nun beurteilt man bei Bienen nicht etwa wie bei Hunden oder Kühen, ein einzelnes Lebewesen, sondern die sichtbaren Eigenschaften eines VOLKES! Einer Lebensgemeinschaft. Zusammensetzung siehe oben. Die einzelnen Gruppen von Bienen im Volk beeinflussen sich entsprechend den Bedürfnissen und der Jahreszeit. Das Kommunikationssystem wirkt nicht bloß bei der Übermittlung von Futterquellen sondern beeinflusst das gesamte Volksverhalten von Frühjahr bis Herbst. Oder bildlich gesagt: Die Baumeisterin kann auch hobeln, putzen oder Nektar abnehmen, wenn nur die Motivation, oder der Ansporn durch eine Kollegin groß genug ist. Sogar uralte Bienen können zur Not noch Brut pflegen, als konkret sichtbares Beispiel.

Es stellen sich also für die Praktische Zuchtarbeit drei wichtige Fragen:

  1. Wie viele Gruppen von Bienen oder spezialisierte Einzelbienen in einem Volk sind notwendig um eine Reaktion im VOLK auf ein plötzliches Bedürfnis (im Beispiel hier kranke /befallene Zellen erkennen und öffnen, dann ausräumen) auszulösen? Hieraus ergibt sich eine zweite wichtige Frage:
  2. In welchem Prozentsatz der Nachzuchten dieses Volkes sind die erwünschten Eigenschaften zu finden? => Königinnen? => Drohnen? Und in welcher Form? Eine Jungkönigin, Nachzucht der Königin des Zuchtvolkes, stellt ein Ei der Königinmutter (in reduzierter Form aus Erbanlagen der Königin) und ein Spermium von 15 bis 24 Varianten aus der Spermatheka dar. Oder gerade mal sowenig wie eine einzige Arbeiterin des Zuchtvolkes. Genau wie eine einzige Arbeiterin nicht das gesamte Volk genetisch repräsentiert, genauso wenig eine Nachzuchtkönigin.
  3. Wie kann ich die einen von den Anderen unterscheiden, wie also die Auslese der Nachzuchtgenerationen gestalten um die erstrebten Eigenschaften zu erhalten oder gar zu intensivieren. Ist es möglich sie so zu intensivieren, dass sie in reiner Form, also in allen oder fast allen Nachzuchten auftauchen? Und wie reagiert das Volk dann ansonsten. Konkret gibt es die Hinweise von Page und Robinson 1992, welche nach meiner Interpretation aber nur belegen, dass verschiedene Gruppen prädestiniert sind für spezifische Aufgaben im Volk. Was der Praktiker so auch beobachten kann. Für mich ist die oben gestellte Frage nicht geklärt. Daher versuche ich sie mir anders herum zu beantworten: Wie hoch darf der Prozentsatz an Spezialistinnen im Bienenvolk sein, dass es noch richtig „funktioniert“, also gut überwintert, Nektar sammelt, Honig macht, Brut richtig pflegt, ja alle Volksarbeiten im Jahresablauf zu erledigen vermag. Dürfen alle Arbeiterinnen Spezialistinnen sein, ist das Volk dann flexibel genug? Dann nämlich könnte man das Erbgut der Bienen um diese Eigenschaften, die es in kaum ausgeprägter Form in fast allen Bienenstämmen gibt, anreichern durch entsprechende Verpaarungen.

Bei einem derart komplexen Organismus wie ein Bienenvolk es darstellt und den spezifischen Zuchtzielen um die es hier geht, kommt man erfahrungsgemäß ohne entsprechende Arbeitsstrategien nicht oder extrem langsam zum Ziel. Hinzu kommt, dass man in der Natur arbeitet und sich deren Launen unterwerfen muss. Wie schwierig war es im Hochsommer 2013 beispielsweise echte Unterschiede in der Reaktion der Völker auf erhöhten Varroabefall auszumachen, der Befall war bis Ende August auf der Mehrzahl vieler Stände gleich null. Wie schnell sind dann Fehler in die Ergebnisse hineininterpretiert. Das gegenteilige Extrem erlebten wir diesbezüglich in diesem Spätsommer.

Ganz ähnlich verhält es sich mit der Bruthygiene. Auch sie ist kein absoluter Wert, der zu allen Jahreszeiten und in allen Verhältnissen direkt vergleichbar wäre.

Auslese von hygienischen Drohnenlinien in der Praxis

Die Zuchtstation in Betrieb.

Abb. 2.  Die zentrale Zuchtstation mit den 4er Einheiten ermöglicht die Vorprüfung und den Vergleich großer Zuchtserien unter identischen Bedingungen.

Der eleganteste Weg, ein bestimmtes Merkmal in eine Zuchtpopulation einfließen zu lassen ist die Verwendung entsprechend selektierter Drohnen und kontrollierte Verpaarung, und das wiederholt über mehrere Generationen. Meistens wird in Zuchtprogrammen mit Geschwister­gruppen als Drohnenspender gearbeitet. Nun ist aber klar, dass nicht jede Nachzuchtkönigin eines Volkes, welches tote Brut schnell und gründlich ausräumt, diese Erbanlagen mitbekommen muss (genau wie bei jeder anderen Eigenschaft). Wir kennen nur den Phänotyp des Zuchtvolkes. Eine präzise Auswahl unter einer angemessenen Anzahl von Geschwister­nach­zuchten muss erfolgen, diejenigen mit den erwünschten Anlagen müssen ausfindig gemacht werden. Wir führen diese Vorprüfung i.d. Regel auf unserer zentralen Zuchtstation durch. Hier haben wir einen weiteren Vorteil: alle zu vergleichenden Völker befinden sich unter identischen äußeren und klimatischen Bedingungen und in derselben physiologischen Verfassung, was die Aussagekraft der Hyg-Tests natürlich enorm verbessert. Die Begattungsvölkchen auf 5 Dadant Halbwaben eignen sich hierfür hervorragend. Geprüft werden die Völkchen frühestens sechs Wochen nach Beginn der Eiablage der Jungkönigin, also wenn der zweite Brutsatz zu schlüpfen beginnt.

Prüfmethoden zum Ausräumverhalten bei toter Brut

Verschiedene Methoden sind bekannt: die Einfachste ist wohl der Pintest, weil er ohne größere Vorbereitung von jedermann durchgeführt werden kann: entlang einer Schablone markiert man die erste Zelle, sticht mit einer sehr dünnen Nadel genau 100 verdeckelte Zellen tot (Alter: purpurfarbene Augen der Puppen), markiert das Ende auf der Wabe und kann nach 12 bis 24 Stunden das Ergebnis ablesen. Viel eleganter ist das Erfrieren der Brut mittels flüssigem Stickstoff, welcher in eine aufgedrückte Konservendose gegossen wird. Hier werden die zu prüfenden Zelldeckel nicht beschädigt, was der Genauigkeit des Ergebnisses wohl dienlich ist. Zur Not kann man sich auch des Gasbrenners bedienen, um eine abgegrenzte Brutfläche durch Hitze so zu schädigen, dass sie abstirbt. Alle diese Methoden bringen vergleichbare Ergebnisse, nur muss man sich entscheiden und mit System arbeiten was das Alter der Brut, das Alter der Waben und die Methode betrifft. Soll eine größere Serie geprüft werden, bevorzuge ich die Stickstoffmethode.

Methoden im Vergleich

Abb. 3.  Abfrieren kleiner Brutkreise mit flüssigem Stickstoff.

Die Ergebnisse können recht frustrierend ausfallen. Zu Beginn fand ich in unseren Zuchtlinien oft weniger als 5% Völker, welche nach 24 Stunden zu 100% ausräumten. Nach einigen Generationen Selektion und präziser Verpaarung ändert sich das grundlegend, vorausgesetzt es passieren über die Jahre keine wesentlichen Fehler.

Im Juni dieses Jahres wurde eine Kombination aus Völkern, welche ohne Varroabehandlung überlebten geprüft. Wer den Namen der Zuchtmutter
— P114(PJ) —
„googelt“ kann die genaue Abstammung einsehen. Es handelt sich in direkter Linie um eine Primorski – Buckfast Kombination, an der wir seit 2002 die Überlebensversuche durchführen, in Anpaarung mit einer ähnlich geführten Kombination von Juhani Lundén (FI). Dem Pedigree ist auch zu entnehmen, dass dreimal in der unmittelbaren Generationenfolge eine Hyg-geprüfte Drohnenlinie zur Besamung diente. Die Ergebnisse dieser Hygieneprüfung sind überwältigend: Obwohl standbegattet, konnten 18 Königinnen von 48 Geprüften ausgelesen werden, welche nicht nur die allgemeinen imkerlichen Kriterien erfüllten sondern zusätzlich nach 20 Stunden die tote Brut gänzlich ausräumten. Nach weiterer Auslese bis Ende der kommenden Frühtracht werden die 12 Besten als Drohnenlinie für die Besamungsaktion 2015 zur Verfügung stehen, soweit keine sonstigen gravierenden Mängel sichtbar werden.

Bienenvolk van Praagh Bienenvolk van Praagh

Abb. 4.  Kontrolle nach 12 bis 20 Stunden. Ausräumrate nach 20 Stunden „nur“ etwa 50%

Strategie der Auslese auf Varroa Sensitive Hygiene

Erbanlagen für VSH finden sich in vielen Bienenherkünften. Belgische Kollegen fanden nach Auszählen Ihrer Buckfastvölker in etwa 10 % ihrer Völker VSH Gene (50 bis 75%). Richtig verstanden nach all der Theorie oben: etwa 10 % der Völker besitzen einzelne Arbeiterinnen mit 50 bis 75% VSH Genen. Man muss sie finden und zusammenbringen.

Ich werde zusätzlich versuchen unsere Zuchtlinien über den Weg der Kombinationszucht mit den VSH Genen anzureichern. Als Grundlage hierfür dienen vorerst die VSH-Importe aus Baton Rouge (USDA), mit welchen 2012 die P-Linie der Überlebensstände besamt wurden. Die Auslese auf VSH hin ist ungleich langwieriger und schwieriger als es bei der allgemeinen Bruthygiene der Fall ist. Allein schon deshalb, weil das Auszählen und Auswerten der Völker nur bei hohem Varroadruck, also alljährlich gegen Ende der Saison und mit einigem Aufwand erfolgen kann.

Amerikanische Forscher fanden 6 verschiedene Genorte auf 2 Chromosomen (Oxley, Spivak und Oldroyd 2002 / 2010). Sie vererben additiv, d.h. je mehr Anlagen im Volk vorhanden sind, desto ausgeprägter zeigt sich das VSH Verhalten.

Ein Drohn Besamungen schaffen Klarheit

Besamt man Jungköniginnen aus Bienenvölkern welche Spuren von VSH im Spätsommer zeigen mit nur einem Drohn aus ebensolchen Völkern, kann man die anfangs erklärte Problematik der in diesem Fall unerwünschten Vielfalt im Volk vorübergehend umgehen: Die etwa 3 Millionen Spermien eines individuellen Drohns sind aufgrund der Parthenogenesis identisch. Man kann also anhand von Brutauszählung definieren ob und wie viele der VSH -Erbanlagen in den Völkern dieser Königinnen (und damit bei der eventuellen Nachzucht) zusammengekommen sind. Derart eingeschränkt besamte Königinnen kann man nur in Kleinvölkchen halten, der Samenvorrat der Königin ist recht gering. Minibeuten eignen sich hierfür sehr gut, weil echte „Volksatmosphäre“ herrscht. Mit einigem Geschick reicht die Lebensdauer der Königin aber aus um nach der Auswertung eine Nachzuchtgeneration zu ziehen. Diese kann selbst bei Standbegattung im Folgejahr als Drohnenspender dienen.

Versuchsreihe 2014:

Ausgangsmaterial der Versuchsreihe waren Zuchtmütter der seit 2002 geführten Überlebensstände in Kombination mit den VSH Importen aus Baton Rouge. Am 5. Mai wurde von 3 verschiedenen Linien mit VSH Anzeichen umgelarvt, 30 Jungköniginnen Ende Mai mit je einem Drohn besamt. 26 Königinnen gingen in Eiablage, 20 davon hielten über Versuchsende (August) hinaus durch. Nachdem im Juli die Völkchen ausschließlich aus Bienen der eigenen Königinmutter bestanden, haben wir deren Brut, zusätzlich zu den natürlich vorhandenen Varroamilben, künstlich infiziert. Hierfür boten wir den Königinnen in Minibeuten vorbereitete hellbraune Waben in der Mitte der Brutnester an, diese wurden innerhalb von 36 Stunden einheitlich bestiftet.

Vorbereitung Miniwaben/ZargenMilbeninfektion Vorbereitung Miniwaben/ZargenMilbeninfektion

Abb. 5 & 6.  Vorbereitung der Miniwaben für die Milbeninfektion.

Einige Tage zuvor bereits hatte ich in einem stark vermilbten Ertragsvolk die Königin gekäfigt. Eine Woche später steigt in einem derart vorbereiteten Volk die Anzahl der Bienenmilben dramatisch an, weil laufend Brut mit Milben schlüpfen, letztere aber keine geeignete Brut zum erneuten Unterschlupf finden. Die Auszählung von je 100 Bienen ergab einen Befall von 19 % Bienenmilben. Auf geschätzte gut 10 000 Bienen also rund 2 000 Milben. Die Bienen des so vorbereiteten Volkes wurden auf die kurz vor der Verdeckelung stehenden Bruträhmchen der Versuchsvölkchen abgekehrt, so dass diese Bienen die Brut pflegten und die Milben nach Belieben in die Brut einwandern konnten. Genau eine Woche später erfolgte die bienenfreie Rückgabe der nun weitgehend verdeckelten Brut in die jeweiligen Völkchen, diese Brut schlüpfte dort Anfang August. Am 20. August haben wir die gesamte verdeckelte Brut der künstlich mit Milben infizierten Völkchen und unter Mithilfe von fünf Personen der Arista Stiftung ausgezählt. Zusätzlich wurde die Brut aus vier normal besamten vielversprechenden Völkern des Überlebensstandes ausgewertet.

Ergebnisse

Auszählung

Abb. 8.  Auszählen der Brut von 24 Völkern nahm zusammen mit den Mitarbeitern der ARISTA Stiftung einen ganzen Arbeitstag in Anspruch.

Sechs von 20 Eindrohnvölkern sind zu 100 % VSH, d.h. in keiner befallener Brutzelle gab es bis zum 17. Puppentag Milbenvermehrung, oder aber diese wurden ausgeräumt. Von zwei dieser Königinnen habe ich trotz später Saison umgelarvt: einen starken Sammelbrutableger, erstellt mit schlüpfender Brut füttert man sieben Tage zuvor mit Frühjahrspollen und mit Frühtrachthonig, so kann man auch spät im Jahr Zuchtstimmung erzielen. Von 36 angebotenen Larven wurden 35 Zellen gepflegt und 29 schöne Königinnen schlüpften in zuvor vorbereiteten Begattungseinheiten. 20 Königinnen gingen Mitte September in Eiablage. Nach weiterer Auslese im kommenden Jahr soll die Versuchsreihe u.A. mit dieser Linie als Drohnenspender fortgesetzt werden.

Wenige Stunden

Abb. 7.  Wenige Stunden nach der Rückgabe der nun infizierten Brut beginnt bei den besten Völkchen das Ausräumen.

Aufzucht August/Fütterung Pollen/Honig

Abb. 9.  Die Jungbienen des Sammelbrutablegers verzehren den angebotenen Frühjarspollen und werden so nach Mitte August zu einem perfekten Pflegevolk.

Zwei von vier vielversprechenden sehr guten Ertragsvölkern vom Überlebensstand sind ebenfalls 100% VSH. Man darf sich hier wegen der Vielfachbesamung (= normale Volkssituation) nicht täuschen lassen. Aber es besteht berechtigte Hoffnung, aus einer großen Serie von Nachzuchten gute VSH Völker auswählen zu können.

Perspektiven

Im Zeitalter der Varroa und hoher Bienendichten in unserer Kulturlandschaft sind Bienenvölker allen möglichen Brutkrankheiten ausgesetzt wie nie zuvor, und das vornehmlich zu einer Jahreszeit, wo deren Ausbreitungsdruck durch Räuberei enorm sein kann. Hoch ausgeprägte Bruthygiene ist eine der Voraussetzungen für gutes Regenerationsvermögen von Bienenvölkern im Spätsommer und Herbst. Um zu gut ausgeprägter Bruthygiene zu kommen genügt es nicht die Vatervölker entsprechend zu selektieren, man muss schon die tatsächlichen Drohnenspendervölker auslesen.

Dem hohen Varroadruck in vielen Bienenvölkern geht meistens eine uneingeschränkte Vermehrung der Milben voraus. Nicht in allen Völkern findet zügellose Vermehrung der Milben statt. Sei es, dass die Brut weniger attraktiv ist, sei es, dass eingedrungene Milben unfruchtbar bleiben oder sei es, dass Milbenfamilien erkannt und ausgeräumt werden. Und wir wissen, dass die Mechanismen welche hierzu führen erblich sind. Die Auslese, die vorher ausschließlich durch Überwachung der Befallsentwicklung in den Ertragsvölkern und Auswertung des Milbenabfalls nach der Augustbehandlung, bestenfalls zusätzlich über einige unbehandelte Völker auf Überlebensständen durchgeführt werden konnte, geht in eine neue, konkretere Phase. Es wird allerdinge damit nicht getan sein:

Ziel ist es auch, genetische Marker für die erwähnten Resistenzmechanismen zu finden. Erst hierdurch wird die Züchtung resistenter Bienen die notwendige breite Basis erfahren weil dann größeren Populationen vorgeprüft werden können. Von allen interessanten Völkern sind daher genetisch verwertbare Proben (der verwendeten Drohnen und der Königinnen) konserviert worden. Sie dienen dem Honey Bee Breeding Laboratory, USDA, ARS, Baton Rouge und dem Laboratory of Genetics der Universität in Wageningen (NL) für diesbezügliche Untersuchungen.

Auszählung

Abb. 10.  VSH in einem Ertragsvolk in perfekter Ausprägung: 100% der Milbenfamilien wurden von den Arbeiterinnen dieses Volkes erkannt und ausgeräumt.

Dank an die Arista Stiftung und für selbstlose Hilfe an André Bosseaux, Estelle Carton de Wiart, Eléonore Cattani, Jean-Marie van Dyck, Jos Guth, Renaud Lavend’Homme und Nico Turmes.

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der Buckfastimker,
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