Bruder Adam — 1953 — Bienenzüchtung

Dies ist der Vortrag von Bruder Adam, den er am 29.03.1953 anläßlich der Reinzüchtertagung in Hannover gehalten hat.

Bienenzüchtung

Wenn Sie es vorziehen,
zu übersetzen hier!

 

Vortrag von Bruder Adam, O. S. B.,
(1898 – 1996)
© foto Erik Österlund
Bruder Adam
St. Mary Abtei, Buckfast,
in Devon, Südengland.
veröffentlicht in 1953,
in der Deutsche Bienenwirtschaft
vol. 4 (5)109-111, (6)128-131,
(7)151-156 und (8)161-166.
mit ihrer Erlaubnis.

Deutsch.Bienenw. 4(5) 1953 p109-111

Dies ist der Vortrag von Bruder Adam, den er am 29.03.1953 anläßlich der Reinzüchtertagung in Hannover gehalten hat.   Er enthält die Grundzüge der modernen Bienenzüchtung nach seiner Weise.   Die damals von Wissenschaftlern und Funktionären geäußerten Bedenken, bis hin zur Polemik, haben weder den weltweiten Erfolg der Buckfastbiene, noch die Übernahme vieler Praktiken Bruder Adam’s durch die gesamte Imkerschaft, verhindern können.

I. Allgemeine Erwägungen, Verfahren und Ziel

Die Verbesserung der Honigbiene, auf dem Weg der Züchtung, ist die vornehmste Aufgabe aller fortschrittlichen Imker oder Imkervereinigungen.   Die wesentliche Grundlage einer erfolgreichen Imkerei ist die Biene selbst.   Eine intensive Honigproduktion ohne eine Hochleistungsbiene ist ein Ding der Unmöglichkeit.   Bienenwohnungen, Bienengeräte und alle technischen Einrichtungen die dem modernen Imker zur Verfügung stehen, haben nur in ganz wenigen Ausnahmen einen direkten Einfluß auf den Honigertrag.   Man darf sich keine falschen Vorstellungen machen: Der endgültige Zweck aller technischen Verfeinerungen in Beuten und Geräten ist beschränkt auf eine leichtere und bequemere Behandlung der Völker.   Es besteht die Neigung, diese oder jene Stockform oder deren Konstruktion unmittelbar mit dein Honigertrag zu verbinden.   Tatsächlich hat Form und Ausführung einer Beute keinen nennenswerten Einfluß auf den Ernteertrag.   Die Größe der Bienenwohnung, oder genauer — der Kubikinhalt des Brutraums —. ist dagegen ein ausschlaggebendes Moment für das tatsächliche Ernteergebnis.   Bezüglich der Trachtverhältnisse hat der einzelne Imker in den meisten Fällen keine Auswahl.   Er muß seine Betriebsweise an die Tracht anpassen, die ihm zur Verfügung steht.   Dem gegenüber steht ihm zu Gebot die Verbesserung der Biene auf dem Weg der Züchtung, als der eigentlichen und wesentlichen Voraussetzung zu jedem Höchsterfolg in der Honigproduktion.

Züchtungsfragen

Unermeßlich viel ist schon geredet und geschrieben worden über die Möglichkeiten in der Bienenzüchtung.   Ganz entgegengesetzte Ansichten werden vertreten.   Die einen behaupten, die Biene sei ein Wildtier, das im Laufe der Millionen von Jahren in Lebensform und Eigenschaften erstarrt sei, daß folglich alle Mühe und Kosten, die für die Züchtung angewandt werden, zwecklos seien und daß keine Verbesserung der Honigbiene erreicht werden könne oder möglich sei.   Dagegen versprechen sich die Optimisten von der Züchtung Erfolge, die an das Unglaubliche grenzen.   Klarheit in diesen widersprechenden Ansichten ist die erste Vorbedingung für jede Zuchtbestrebung.   Zweifel, Unsicherheit führen zu unschlüssigem Hin- und Herschwanken.   Eines steht über jedem Zweifel: Nur eine hartnäckige.   andauernde, konsequente, zielbewußte Züchtung kann einen endgültigen Erfolg erringen.

Niemand wird sagen, daß die Ertragsunterschiede desselben Standes, zwischen diesem und jenem Volk, inmitten derselben Trachtverhältnisse, nicht auf innerlicher erblicher Veranlagung beruhen.   Weitgehende Unterschiede bestehen nicht bloß in Leistung, sondern gleichwohl in allen anderen Eigenschaften.   Wo erbliche Differenzen in Lebewesen zu finden sind, wo eine Variabilität vorhanden ist, besteht die grundsätzliche Möglichkeit, für eine züchterische Beeinflussung.   In der Tat, meine langjährige praktische Erfahrung auf dem speziellen Gebiet der Bienenzüchtung hat mir manchen aufschlußreichen Einblick gewährt in den Bereich der Möglichkeiten sowie deren Grenzen in der Züchtung der Honigbiene.

Züchtungskunde

Die neuzeitliche Vererbungslehre und Züchtungsforschung hat die Gesetzmäßigkeit und Zusammenhänge aufgedeckt, die der Züchtung im allgemeinen zugrunde liegen.   Trotz der Tatsache, daß die Honigbiene eine Sonderstellung einnimmt infolge der haploiden Vererbung durch die Drohnen, besteht dennoch keine Ausnahme von den Mendelschen Vererbungsgesetzen.   Die Aufspaltung findet statt man kann neu kombinieren.   Die theoretischen Schwierigkeiten der haploiden Vererbungsweise der Drohnen sind nicht unüberwindbar.   Gewiß, in der Vielfachbastardierung kann der Idealfall nur durch einen ganz außerordentlichen Glückszufall erreicht werden.   Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß auch ohne eigentliche Erreichung des Idealfalls wertvolle wirtschaftliche Kombinationen erzüchtet werden können — und dies in einer geringen Anzahl von Generationen und innerhalb eines beschränkten Zeitraums.   Ja.   wie meine Erfahrungen bewiesen haben, so ist die Möglichkeit der Entwicklung neuartiger Eigenschaften in der Biene nicht ausgeschlossen.

Zuchtwege

Es gibt verschiedene Zuchtmethoden oder Zuchtwege.   Die Frage nach dem richtigen oder besten Weg in der Zucht findet ihre Entscheidung in dem angestrebten Zuchtziel.   Die hauptsächlichen Zuchtmethoden, entsprechend den Zuchtzielen.   sind: Reinzucht oder auch Linienzucht, Kreuzungs- oder Kombinationszucht, überdies Mutationszucht.   Allerdings eine Mutationszucht, wie im Fall etlicher Nutztiere und Pflanzen, kommt nach meinem Wissen bei der Biene kaum in Frage.   Man spricht auch von einer Auslese- oder Selektionszucht.   Aber Auslese oder Selektion — was ja ein und dasselbe bedeutet — ist die Wünschelrute, die jeden Erfolg im Züchten erschließt, und die in jeder Zuchtmethode angewandt werden muß.   Man kann keine Reinzucht, Linienzucht, Kreuzungszucht, noch auch Mutationszucht mit Erfolg betreiben ohne Selektion.   Ohne ein Sichten, Auslesen, gibt es keine Zucht.

Die Natur sichtet, hält Auslese.   Tatsächlich ist die Natur eine strenge, unbarmherzige Züchterin.   Aber ihr Zuchtziel ist nicht Leistung, noch viel weniger Höchstleistung, weder Vollkommenheit von Form oder Farbe, sondern ausschließlich die Erhaltung und Verbreitung der Art.   Treu diesem Ziel, ist das Zuchtbestreben der Natur für Mannigfaltigkeit — im Gegensatz zu Rassenreinheit-.   Für ständige Mischung und Kreuzung, für Reichtum der Erbfaktoren, die ein entsprechendes Variieren und Material zur Naturauslese des Geeigneten verbürgen.   Die ganze Fortpflanzungs- sowie Verbreitungsweise der Biene ist dazu bestimmt, eine ständige Mischung der Erbfaktoren zu garantieren.   Erhebliche genetische Unterschiede in morphologischen sowie physiologischen Eigenschaften und große erblich bestimmte Schwankungen der Leistung sind folglich das Normale bei der Biene in der Natur.   Jedem erfahrenen Imker sind diese normalen Schwankungen in Eigenschaften und Ertrag bekannt, zwischen einer Anzahl Völker derselben Abstammung, auf demselben Stand und genau gleichen Umweltbedingungen, die den Zuchtbestrebungen der Natur überlassen worden sind.   Der Durchschnittsertrag pro Volk ist sehr nieder.   Jedoch gibt es immer einzelne mit phänomenalen Erträgen, gleichfalls auch eine Anzahl Völker, die total versagen.   Der ausschlaggebende Faktor in von der Natur gezüchteten Bienenschlägen ist ihr minimaler Durchschnittsertrag.   Dagegen ist es der Durchschnittsertrag, erzielt über eine Periode von Jahren, der das entscheidende Urteil fällt in einer rentablen Imkerei.

Der fortschrittliche Imker oder Züchter strebt, maß streben nach einem hohen Durchschnittsertrag, nach Höchstleistung.   Krasse Schwankungen im Ertrag müssen ausgemerzt werden.   Die erblichen Eigenschaften, die Höchstleistung hervorrufen, erwirken, müssen vereinigt und fixiert werden, um eine dauernde maximale Leistung zu erhalten.   Eine kurzfristige hohe Einzelleistung führt nicht zum Ziel.   Vorübergehende extreme Leistungen bedeuten keinen Fortschritt im Züchten.   Das wesentliche Ziel alles Züchtens ist ein Erlangen von Permanenz.   Ohne Erhaltung des Erreichten wäre das Züchten nur eitel, ewig unnützes Streben.   Beständigkeit in Leistung ist nur erreichbar mittels Konzentration der Eigenschaften, die Leistung hervorrufen.

Reinzucht

Reinzucht führt zur Erhaltung einer Stetigkeit in Vererbung und Leistung.   Reinzucht ist das unentbehrliche Mittel, das einzige Mittel, das zu Permanenz und Erfolg im Züchten führt.   Der Kombinations–: sowie Mutationszüchter muß zurückgreifen auf die Reinzucht, um eine Erhaltung der Erreichten zu erzielen.

Eine gut geführte Reinzucht kann ohne jeden Zweifel Großes erreichen.   Der Reinzucht sind jedoch bestimmte Grenzen gesetzt.   Das Aussondern, Herauszüchten und Fixieren der erwünschten Eigenschaften ist eine mühsame, langwierige Arbeit.   Die Intensivierung dieser oder jener Eigenschaft kann nur Schritt für Schritt erreicht werden und kann nur durch anhaltende zielbewußte Ausdauer fixiert werden.   Eine Steigerung der Leistung ist begrenzt und erschöpft, sobald die erwünschten Eigenschaften annähernd rein, homozygot fixiert sind.   Überdies, sobald Reinrassigkeit erreicht ist durch Inzucht, besteht eine Gefahr eines Abflauens der Vitalität und Leistung.   Die Möglichkeit eines „Verzüchtens“ darf nicht außer Betracht gelassen werden.   Obwohl Reinzucht der unvermeidliche Weg zu jedem bleibenden Fortschritt in der Verbesserung der Honigbiene ist, maß sie jedoch auf breitester Grundlage ausgeführt werden, will man ein Scheitern vermeiden.

Um den Gefahren der Inzucht auszuweichen, entwickelten die Amerikaner kürzlich ihr Verfahren der Vierfachhybriden.   Eigentlich sind dies keine Bastarde im strengen Sinne des Wortes.   sondern nur Kreuzungen zwischen reinen Linien ein und derselben Rasse (Italiener).   Es ist eine Art Reinzucht.   aber auf sehr breiter Basis geführt.   Ich würde es als Linienzucht betrachten, mit der Ausnahme, daß in diesem Fall die Linienkreuzungen nicht für Weiterzucht verwendet werden.   Der wesentliche Vorteil dieser Zuchtmethode ist die Vermeidung von Inzuchtschäden und ein Erlagen von Zuchtprodukten mit „Hybrid Vigor“ — der besonderen Lebenskraft und Energie, mit denen F1–Bastarde oft begabt sind.   Dieses Zuchtverfähren ist äußerst umständlich und erzielt überdies keine dauerhafte Hebung der guten Eigenschaften oder eine Veredlung der Biene.   Es verfehlt gänzlich das wesentliche Ziel alles Züchtens, nämlich dauernde Erhaltung des Erreichten.

Deutsch.Bienenw. 4(6) 1953 p128-131

Mutationszucht

Bei jedem Lebewesen treten zeitweise neue erbliche Veränderungen auf, Mutationen genannt.   Solche genetische Veränderungen verschwinden in der Natur rasch wieder, da sie selten einen Vorteil bedeuten für ihre Träger.

Im Fall der Honigbiene kann man tatsächlich kaum von einer Mutationszucht reden, denn die Mutationen, die bisher beobachtet wurden, verursachen fast ausschließlich krankhafte Erscheinungen.   wie rote oder weiße Augen, fehlendes Überhaar oder fehlende Ausfärbung des Haars — fehlende Entwicklung der Eier oder Eitaubheit —, unzureichende Bearbeitung des Nektars, verursacht entweder durch einen organischen oder physiologen Fehler.   Die einzige soweit vorgefundene genetische Veränderung, die von einem gewissen Gesichtspunkt als ein Vorteil betrachtet werden kann, wäre die erblich bestimmte Unfähigkeit einer begatteten Königin, unbefruchtete Eier zu legen — also eine Königin, die nach der Begattung keine Drohnen erzeugen kann.   Es ist eine Mutation, die sehr selten vorkommt.   Ein organischer Defekt offensichtlich, der sich allerdings durch die Königin vererbt.   Vermutlich wäre die Möglichkeit gegeben, diese Mutation rein zu züchten mittels Afterdrohnen oder Söhne einer unbegatteten Königin.   Allerdings ein umständliches Verfahren.   Diese Mutation ist jedoch von großer wissenschaftlicher Bedeutung.   Dieser Fall beweist die Möglichkeit einer Mutationszucht von wirtschaftlichem Wert.

Kombinationszucht

Die Reinzucht kann nur Eigenschaften herauszüchten, die im Erbgut einer Rasse oder eines Stammes schon vorhanden sind.   Was nicht vorhanden ist, kann man auch nicht herauszüchten.   Folglich bestimmt das vorhandene Erbgut einer Rasse die Grenzen jeder Züchtungsbestrebung.   Wir wissen aber, daß jede Rasse der Honigbiene verschiedene wünschenswerte, wirtschaftliche Eigenschaften besitzt.   Um die verschiedenen wünschenswerten wirtschaftlichen Eigenschaften der einzelnen Bienenrasse zu vereinigen, müssen wir zur Kombinationszucht übergehen.

Die Kombinationszucht bei der Biene ist zum großen Teil ein unerforschtes Gebiet.   Die theoretischen Möglichkeiten und Probleme sind schon weitgehend erwogen worden in der Literatur.   Groß angelegte praktische Versuche in diesem Bereich der Bienenzüchtung sind kaum bekannt.   Vielleicht sind meine langjährigen Versuche in dieser Beziehung die einzigen, die praktische Resultate aufweisen können.

Die technischen Schwierigkeiten der Kombinationszucht sind gewiß nicht klein.   Dagegen werden nach meinem Ermessen die theoretischen überschätzt.   Zweifellos wird in der Mehrfachbastardierung der Idealfall kaum jemals in der Aufspaltung erfaßt werden — wenigstens nicht direkt, höchstens auf Umwegen.   Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß dennoch wirtschaftlich äußerst wertvolle Neukombinationen erzielt werden können, sowie neuartige Bienentypen.   Ein schlagendes Beispiel: Die unbändige Stechlust der französischen Biene ist bekannt, sowie deren viele anderen unerwünschten Eigenschaften — wenigstens unerwünscht von unserem Standpunkt.   Dennoch ist es mir gelungen, in wenigen Generationen eine Aurea heraus zu züchten, die man praktisch zum Stechen nicht bewegen konnte, die weder eine Neigung zum Schwärmen zeigte und auch kein Kittharz sammelte.   Die Farbe dieser Neuzüchtung war ein viel tieferes und schöneres Gold als das der amerikanischen Züchtungen.   In jeder Beziehung war es eine wirkliche Idealbiene, mit einer Ausnahme, daß sie nicht milbenresistent war.   Tatsächlich war diese Aurea-Züchtung so anfällig, die Verluste so verheerend, daß eine Weiterzucht aus finanziellen Gründen ausgeschlossen war.

Meine Kreuzungsversuche haben den Beweis erbracht, daß revolutionäre Neuzuchten von überragendem wirtschaftlichen Wert verwirklicht werden können, und daß ein Zeitpunkt kommen wird, in welchem die Kombinationszucht einen maßgebenden Einfluß auf die Imkerei ausüben wird.   Es ist allerdings eine Zuchtweise, die in der Hauptsache nur für Imkervereine oder wissenschaftliche Institute ausführbar ist, jedoch eine Tätigkeit von größter wirtschaftlicher Bedeutung.

Zuchtziel

Ich habe nun soweit in gedrängter Zusammenfassung die wesentlichen Grundgedanken erwähnt, die den verschiedenen Zuchtinethoden zugrunde liegen.   Der nächste wesentliche Punkt beim Züchten ist zweifellos das Zuchtziel.   Ohne ein streng festgelegtes Zuchtziel ist das Züchten wie ein steuerloses Schiff auf hoher See, das dem Spiel von Wind und Woge ausgesetzt, nie den Hafen erreichen wird.

Zu einem gewissen Maß bestimmen Klima– und Trachtverhältnisse sowie besondere individuelle Gesichtspunkte des Züchters die endgültige Form des Zuchtziels.   Gewisse Grundzüge besitzen jedoch eine allgemeine Gültigkeit, ohne Rücksicht auf besondere Umweltbedingungen.   Die wesentlichen Leistungseigenschaften verlieren ihre Wirkung nicht mit einer Veränderung von Klima– oder Trachtverhältnissen.

Das Endziel aller unserer Zuchtbestrebungen ist die Schöpfung einer Biene, die einen dauernden maximalen Durchschnitts–Honigertrag erzeugt mit einem minimalen Kosten- und Zeitaufwand.   Der entscheidende Faktor, der die Rentabilität einer Imkerei bestimmt, ist der Durchschnittsertrag über eine Periode von Jahren.   Es gibt Bienenrassen, die bekanntermaßen in günstigen Tracht jahren Spitzenleistungen erzielen, aber in weniger guten Jahren total versagen.   Die ligustica hat im allgemeinen den Ruf guter Leistungsergebnisse in günstigen Trachtverhältnissen, versagt aber schmerzlich in weniger guten Trachten — ja, muß vielleicht noch gefüttert werden, während eine nur mäßig bruteifrige Rasse ohne jede Schwierigkeit sich selbst versorgen kann.   Eine Rasse, die sich anpaßt an die Trachtverhältnisse, fordert weniger Zeit- und Kostenaufwand.   In dieser Hinsicht verhielt sich die englische einheimische Biene in einer ganz überragenden Weise.   Sie besaß die Fähigkeit, in schlechten Jahren noch kleinere Erträge zu liefern.   Ihr Durchschnittsertrag war allerdings wesentlich niederer über eine Periode von Jahren als jener der ligustica.   Auch gibt es wieder Rassen, die hohe Durchschnittserträge abgeben, die aber durch ihre wütende Stechlust jede Arbeit so erschweren, daß der entsprechende Zeitaufwand pro Volk wirtschaftlich viel zu groß ist — ganz abgesehen von allen anderen Unannehmlichkeiten.

Der Berufsimker ist im Kampf mit der harten Wirklichkeit zu einer kühlen und sachlichen Überlegung des Zuchtziels gezwungen.   Er darf sich nicht irreführen lassen in seinen Zuchtbestrebungen durch fragliche akademische Erwägungen.   Höchste durchschnittliche Honigleistung pro Volk, verbunden mit geringstem Kosten– und Zeitaufwand, muß notwendigerweise sein Zuchtziel sein.

Welches sind die wichtigsten wirtschaftlichen Eigenschaften, die zur Verwirklichung dieses Zuchtziels führen?   Zu einem richtigen Verständnis meiner Ausführungen wird es sich lohnen, jede Eigenschaft, die unser Zuchtziel bedingt, genauer zu betrachten.

1. Fruchtbarkeit

Eine entsprechende Fruchtbarkeit ist die unerläßliche Vorbedingung unseres Zuchtziels.   Ohne eine angemessene Volksstärke ist ein Höchstertrag ein Ding der Unmöglichkeit.   Große Fruchtbarkeit allein ist zwar nicht der entscheidende Faktor, aber sie ist dennoch die wesentliche Grundlage jeder Höchstleistung.   Eine Königin, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Volksentwicklung ihre Legetätigkeit nicht auf 9–10 Dadantwaben ausdehnt, entspricht unseren Anforderungen nicht.

Ich bin mir voll bewußt der oft vertretenen widersprechenden Ansichten bezüglich dieses wunden Punktes in der Züchtung.   Vor etwa 30 – 40 Jahren betonten die führenden Autoritäten in England: Wir wollen nicht Bienen, sondern Honig.   Gewiß die schlimmste sophistische Verdrehung, die es je in der Imkerei gegeben hat.   Wir wollen bestimmt keine Fleischvölker, die jedes Pfund Honig in Brut umwandeln.   Es gibt solche ohne Zweifel.   Eine entsprechende Fruchtbarkeit muß unbedingt mit einer Reihe anderer unerläßlicher wirtschaftlicher Eigenschaften verbunden sein.   Eine gute Eigenschaft bedingt meist eine ganze Serie von anderen guten Eigenschaften — eine wahre Verkettung von Eigenschaften -, wobei sich das einzelne Glied nie voll entfalten kann.   ohne die Mitwirkung aller.   Nur durch das harmonische Zusammenwirken aller Glieder in der Kette von wirtschaftlichen Eigenschaften ist die Realisierung unseres Zuchtziels möglich.

2. Fleiß oder Sammeltrieb

Unter den unerläßlichen Eigenschaften kommt unermüdlicher Fleiß und Sammeltrieb in erster Linie in Frage.   Fleiß ist der Hebel, der alle wirtschaftlichen Eigenschaften in reale Werte umsetzt.   Der Fleiß der Biene ist sprichwörtlich.   Tatsächlich gibt es aber auch richtige Taugenichtse darunter.   Es besteht kein Zweifel, Fleiß ist eine erblich bedingte Eigenschaft, jedoch eine, die von vielen Erbfaktoren abhängt.   Die höchste Entfaltung des Fleißes beruht überdies auf der Mitwirkung aller anderen Glieder einer Kette von wirtschaftlichen Eigenschaften.

3. Krankheitsfestigkeit

Eine der wichtigsten Aufgaben der Züchtung ist die Entwicklung von Bienenstämmen, die in weitestem Maß krankheitsfest sind, die also den Krankheiten widerstehen und demnach jede Heilmittelbehandlung ersparen.   Alle Heilmittelbehandlung hat den Nachteil, daß ihre Wirkung — so eine Ausschaltung der Krankheit tatsächlich erfolgt — von vorübergehender Dauer ist.   In anderen Worten: Sobald man zu Heilmitteln greift, bedingt deren Gebrauch ständige Anwendung.   Ein anfälliges Volk wird erneut infiziert und erneut der Krankheit zum Opfer fallen.

Die Milbenresistenz ist ein leuchtendes Beispiel in dieser Hinsicht.   Allerdings, man muß scharf unterscheiden zwischen Resistenz und Imunität.

4. Schwarmträgheit

Nächst im Rang in der Reihe der unentbehrlichen Eigenschaften kommt die Schwarmträgheit.   Vom Gesichtspunkt des Berufsimkers ist Schwarmträgheit absolut unerläßlich.   Schwärmen verursacht nicht nur einen unwirtschaftlichen Arbeits– und Zeitaufwand, sondern vereitelt gleichfalls jede Möglichkeit einer Höchstleistung in bezug auf Honigertrag.   Schwärmen ist tatsächlich das größte Hindernis einer rentablen Imkerei, wie betrieben in allen englischen Sprachgebieten.   Eine Rasse, die womöglich alle anderen wünschenswerten Eigenschaften besitzt, die aber einen unbändigen Schwarmtrieb kundtut, eine solche Rasse ist wirklich wertlos in einem modernen Betrieb.   Durch die Schwarmsucht werden alle guten Eigenschaften vergeudet.

Ein praktisches Beispiel aus meiner eigenen
Erfahrung : Vor etlichen Jahren hatten wir für
Vergleichs– und Versuchszwecke 30 Völker mit
Königinnen von einem bekannten Alpenstamm.   Die Völker
wurden gleichmäßig verteilt auf alle unsere 10
Stände.   Die Überwinterung und
Frühjahrsentwicklung befriedigte über alle Erwartung.  
Durch eine unkontrollierbare Schwärmerei verursachten diese 30
Völker jedoch einen Verlust im Ertrag in einem Wert von 870 Pfund
Sterling (an die 3 000 euro).   Gewiß ein
Ausnahmsfall!   Einen Berufsimker, einem der erfolgreichsten in
England, erging es nicht viel besser mit demselben Alpenstamm.  
Sein Verlust verteilte sich auf 200 Völker.

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Fruchtbarkeit, Fleiß, Krankheitsfestigkeit und Schwarmträgheit sind, nach meinem Ermessen, die wesentlichen wirtschaftlichen Eigenschaften.   Sie bilden die Grundlage unserer Zucht.   Die weiteren wünschenswerten Eigenschaften, die ich nun erwähnen werde, gehören nicht zu den unerlässlichen, sind aber dennoch von größter „Bedeutung“ zur Erreichung unseres Zuchtziels, denn jede dieser Eigenschaften verursacht eine Verstärkung der Intensität der endgültigen Leistung.

A. — Langlebigkeit

Zu aller erst in dieser Reihe von Eigenschaften, die einen steigernden Einfluß verursachen, setze ich Langlebigkeit.   Es gibt fürwahr kaum eine andere Eigenschaft, die größeren Erfolg verspricht in der Züchtung als Langlebigkeit.   Daß große erbliche Unterschiede bestehen bezüglich dieser Eigenschaft, wird wohl niemand in Frage stellen.   Man darf nur hinweisen auf die bedeutenden Unterschiede in der Lebenslänge der Königinnen.   Neben der Erblichkeit hat auch die Lebenslage vom Ei an und insbesondere während der Entwicklungsperiode, einen gewaltigen Einfluß auf die endgültige Lebensdauer der Königin sowie der Trachtbiene.   Wir reden von Lebensdauer, aber tatsächlich handelt es sich um Lebens- oder genauer Leistungskraft.   Lebensdauer im Fall der Biene ist bestimmt durch den Energieverbrauch.   Je schneller, heftiger der Verbrauch der vitalen Energie, desto kürzer die Lebensspanne.

Nach meinen Erfahrungen besteht eine Beziehung zwischen Fruchtbarkeit und Langlebigkeit.   Ultra-Fruchtbarkeit bedeutet Kurzlebigkeit; extreme Langlebigkeit ist eher zu finden in unterdurchschnittlich fruchtbaren Stämmen.   Ein schlagendes Beispiel in dieser Hinsicht war die englische Biene.   Eine von ihren hervorragendsten Eigenschaften war Langlebigkeit.   Ihre Fruchtbarkeit war bekannterweise unterdurchschnittlich.   Allerdings hat mehr als wahrscheinlich diese außerordentliche Langlebigkeit mitgeholfen zu ihrer Ausrottung durch die Milbenseuche.

B. — Flugkraft

Eine ausgesprochene Flugkraft kann die Grenzen des Flugbereichs der Biene beträchtlich erweitern, kann tatsächlich in gewissen Fällen entscheiden, ob eine Nektarquelle erreichbar ist oder nicht.   Eine weitere wertvolle Eigenschaft der englischen Biene war ihr außerordentliches Flugvermögen.   Bis zu 1916 ernteten wir fast jedes Jahr beträchtliche Quantitäten Heidehonig auf unserem Bienenstand im Klostergarten.   Die Grenze der nächsten Heide ist 3,6 km vom Bienenstand entfernt, zugleich ein Höhenunterschied von annähernd 400 m.   Trotz der großen Entfernung sammelten die einheimischen Völker, sowie die Bastarde, im Herbst 1915 annähernd 50 kg Heidehonig durchschnittlich.   Seither haben wir nur in ganz vereinzelten Jahren auf dein Bienenstand im Klostergarten Heidehonig geerntet — mir in Jahren, wenn das Wetter äußerst günstig sich gestaltete.   Die Ernte im Herbst von 1915 bedeutete die allerletzte Kraftanstrengung und Leistung unserer einheimischen Biene.   Im folgenden Winter forderte die Milbenseuche ihre Opfer.

C. — Spürsinn

Zu einem hervorragenden Flugvermögen gehört ein entsprechender Spürsinn.   Er ist die ergänzende Eigenschaft zu einem großen Flugvermögen.   Ohne scharfen Spürsinn würde eine Biene kaum über eine gewisse Grenze auf ihrer Suche wandern.   Allerdings, ein scharfer Spürsinn hat seinen Nachteil — er kann zu Räuberei verführen.   Diese zwei Eigenschaften sind, soviel ich ersehen kann, kaum trennbar.   Sie sind gegenseitig bedingt.   Eine Biene mit ausgesprochenem Spürvermögen wird wohl kaum der Versuchung zum Naschen entrinnen.   Erfahrungsgemäß sind die besten Honigvölker immer die ersten bei jeder Räuberei.

D. — Verteidigungssinn

Ein unentwegt er Verteidigungssinn ist das zuverlässigste Gegenmittel.   Ein entschlossener, hochentwickelter Wehrsinn ist ein unentbehrliches Attribut einer Idealbiene.   Diese Eigenschaft findet man in stärkster Entwicklung in den orientalischen Rassen.   Der unerbittliche Kampf mit den vielen Bienenfeinden, von denen wir in den gemäßigten Zonen kaum wissen, haben ohne Zweifel zur hohen Entwicklung des Wehrsinns beigetragen.

E. — Wetter– und Winterfestigkeit

Unsere Idealbiene muß wetter– und winterfest sein.   In Wetter– und Winterfestigkeit sind eine ganze Anzahl Eigenschaften verbunden.   Die Idealbiene darf nicht leicht erstarren beim Pollen- und Wassersammeln in sonnigem aber kühlen Frühlingswetter.   Resistenz gegen extreme Kälte kommt weniger in Frage.   Winterfestigkeit bedeutet eher ein Vermögen, auf minderwertigen Vorräten lange Perioden ohne einen Reinigungsflug zu überstehen.   Diese Fähigkeit ist wieder weitgehend bestimmt vom Verhalten des Volkes zu heftigen Temperaturschwankungen.   Störungen usw.

Die mellifica und carnica sind in unserem Klima in Südwest-England sehr geneigt — bei jedem Temperaturanstieg auszufliegen.   In denselben klimatischen Verhältnissen bleibt unser eigener Zucht stamm in vollständiger Ruhe.   Die Völker verhalten sich wie tot, von anfangs November bis Ende Februar, bis zum ersten allgemeinen Reinigungsflug.   Jede Flugbetätigung bei ungünstigen Wetterverhältnissen bedeutet einen nutzlosen Verschleiß von Energie und Bienenleben.

F. — Verbrauch von Wintervorräten

Eng verbunden mit Winterruhe ist der Verbrauch von Wintervorräten.   Allerdings ist es nicht allein der Grad der Ruhe, der den Verbrauch bestimmt, sondern gleichzeitig die Volksstärke.   Es bestehen gewaltige Unterschiede im Verbrauch von Wintervorräten.   Nach allgemeiner Erfahrung ist die ligustica extrem verschwenderisch, dagegen die carnica ein leuchtendes Beispiel von Sparsinn.   Kleine Völker und tiefe Ruhe im Winter bedeuten die Lösung dieses Problems.   Ganz bedeutende Erfolge sind in dieser Hinsicht erreichbar mittels einer zielbewußten Zucht.

G. — Frühjahrsentwicklung

Nächst in der Reihenfolge kommt das Problem der Frühjahrsentwicklung.   Daß die Art der Entwicklung erblich bestimmt ist, innerhalb gewisser Grenzen, brauche ich nicht hervorheben.   Nach meinen Ansichten, gültig wenigstens für Südwest-England, maß die Frühjahrsentwicklung erfolgen ohne Reizfütterung und nicht eher, als annähernd günstiges Wetter eingesetzt hat.   Einmal begonnen, so muß die Entwicklung vorwärts gehen ohne Rücksicht auf Witterungsrückschläge.

Frühbrüter vergeuden ihre Energie durch Ausflug in ungünstigen klimatischen Verhältnissen.   Viel Kraft wird verbraucht in heroischen Anstrengungen, die aber zu keinem wesentlichen Nutzen oder Vorteil führen.   Ein gut gezüchteter Stamm erspart jede Reizfütterung sowie die Kosten und Arbeit, auch die Gefahren, die damit verbunden sind.

Deutsch.Bienenw. 4(7) 1953 p151-156

H. — Pollensammeltrieb

Pollen– und Honigsammeltrieb sind nicht identisch, oder genauer, die Intensität dieser Triebe.   Die Ligustica ist kein Pollenhamster.   Ein Oberschuß von Pollen, sogar in pollenreichen Gegenden, wie es bei uns der Fall ist, wird selten vorgefunden in einem Italienervolk.   Dagegen war die englische Biene eine ganz hervorragende Pollensammlerin.   Gleichfalls die französische, die sogar geneigt ist, Pollen durch das Absperrgitter zu tragen und in den Honigaufsätzen aufzuspeichern.   Dieser phänomenale Pollensammeltrieb der französischen Biene ist erblich bedingt.   In Lindern oder Gegenden, die pollenarm sind, würde es sich lohnen, diese Eigenschaft zu fördern.   Sowie in jenen, wo Blütenbestäubung eine besondere wirtschaftliche Rolle spielen.   Bei uns in Südwest-England ist ein ausgesprochener Pollensammeltrieb ein deutlicher Nachteil.

I. — Bautrieb

Eine weitere Eigenschaft von Bedeutung ist der Bautrieb.   Er übt jedoch eher einen indirekten Einfluß auf den Honigertrag insofern aus, als ein bauträges Volk leicht zum Schwärmen neigt.   Baueifer, im Gegenteil, fördert Fleiß und Arbeitsgeist.   Es bestehen wesentliche Unterschiede im Baueifer der verschiedenen Rassen und Stimme.   Die baueifrigste Biene, die ich kenne, war zweifellos die englische.   Sie baute nicht nur mit bewundernswerter Schnelligkeit, sondern auch gleichzeitig herrliche fehlerlose Waben.   Es ist uns gelungen, diese Eigenschaft in unserem Stamm weitgehend zu erhalten : Ein großer Vorteil, denn in unserem Fall müssen alle Waben in den Honigaufsätzen jedes Jahr erneuert werden.

Unmittelbar verbunden mit ein Baubetrieb ist die Geneigtheit oder der Drang nach Drohnenbau.   Drohnenbau und das Erziehen von Drohnen über ein gewisses Maß ist höchst unwirtschaftlich.   Meines Erachtens sind durch sorgfältige Züchtung ganz wesentliche Fortschritte in der Vermeidung des Drangs nach Drohnenbau möglich.

J. — Anordnung der Honigstapelung

Innig verbunden mit Bautrieb ist die Anordnung der Honigstapelung.   Ein bauträges Volk ist genötigt zu einer brutnahen Honigstapelung — vielleicht eine sehr erwünschte Eigenschaft in gewissen Gegenden und Trachtverhältnissen.   Wir bemühen uns, in unserer Zucht eine Brutferne Honigstapelung zu erzielen.   Eine Brutferne Stapelung fördert den Bautrieb, fördert den Sammeltrieb, ist eine unerläßliche Vorbedingung zur Schwarmvermeidung.   Überdies, ein uneingeschränktes Brutnest.   von Mitte Mai bis Ende Juli, ist eine elementare Notwendigkeit zum Erfolg in Gegenden mit Spättracht.   Zur Zeit der Heidetracht bestimmt der Selbsterhaltungstrieb ein Aufspeichern von Wintervorräten im Brutraum, ohne Zutun des Imkers.

K. — Rüssellänge

In Gegenden, wo Rotklee angebaut wird, ist die Rüssellänge von ausschlaggebender Bedeutung.   In Südwest-England gibt es keinen Rotklee.   Allerdings in anderen Gegenden, insbesondere in Norfolk, werden zeitweise ganz beträchtliche Honigernten von dieser Nektarquelle erzeugt.   In England wird hauptsächlich mit Italienerstämmen geimkert und folglich wird die Rüssellänge kaum je erwähnt oder in Erwägung gezogen.   Außer dein Rotklee kommt nach meinem Wissen kein anderer Nektarspender in Betracht, in Verbindung mit der Rüssellänge.

Honig von Rotklee ist von keiner überragenden Qualität, jedoch tadellos als Wintervorrat.   In dieser Beziehung ist es angebracht, eine Eigenart von gewissen Rassen und Bastarden zu erwähnen, die wir im Züchten in Betracht ziehen müssen, wenigstens in Ländern, wo die Farbe des Honigs preis bestimmend ist.   Es gibt Rassen, die geneigt sind, Honig von minderwertiger Güte zu sammeln, in genau denselben Trachtverhältnissen, wo Italiener und Cyprier Honig von feinster Qualität eintragen.

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Im ersten Teil meiner Ausführungen wurden nur Eigenschaften erwogen, die von grundwichtiger Bedeutung zur Honigerzeugung sind.   Nun kommen wir zu jenen, die keinen Einfluß auf den Ertrag ausüben, die aber dennoch unerläßlich sind zur Verwirklichung unseres Zuchtziels, dessen zweite Forderung — minimalster Kosten– und Zeitaufwand — genau so gebieterisch ist wie die erste.   In der zweiten Forderung kommen speziell jene Eigenschaften in Betracht, die das Arbeiten des Imkers erleichtern.   Jedoch kommen auch etliche in Erwägung von rein wirtschaftlicher und ästhetischer Bedeutung.

1. — Sanftmut

Obwohl Imker wie Züchter ganz entgegengesetzte Ansichten vertreten, bezüglich des Werts dieser oder jener Eigenschaft, besteht eine erfreuliche Übereinstimmung in der Schätzung der Sanftmut.   Ich kenne nur eine Ausnahme, einen arabischen Imker, der eine andere Ansicht vertrat.   Dieser tüchtige Mann besitzt einen großen Stand unweit der Hauptstraße zwischen Jerusalem und Jericho.   Seine Völker waren rein syrischer Abstammung und entsprachen seiner Forderung bezüglich Stechlust vollständig.   Diese Völker waren ohne jeden Zweifel gefeit gegen Diebstahl.

Stechlust erschwert die Arbeit überaus und erfordert einen unwirtschaftlichen Zeitaufwand pro Volk, ganz abgesehen von der ständigen Gefahr von Unannehmlichkeiten mit nachbarlicher Umgebung.   Glücklicherweise ist Sanftmut eine erbliche Eigenschaft, die sich leicht herauszüchten läßt.   Es bestehen keine Schwierigkeiten, aus einer Kreuzung mit der wütendsten Stecherin die Erzüchtung der sanftmütigsten Biene in wenigen Generationen zu erzielen.   Es wird oft behauptet, daß eine Verbindung besteht zwischen Stechlust und Leistung-, auch daß in der Vererbung der Sanftmut oder Stechlust die Drohnen den ausschlaggebenden Einfluß ausübt.   Beide Vermutungen sind falsch.

2. — Wabenstetigkeit

Eine weitere Eigenschaft, die die Arbeit sehr erleichtert, ist Ruhe und Wabenstetigkeit.   Das fahrige, flüchtige Wesen gewisser Rassen und Stämme bedeutet Zeitverlust in der Behandlung und erschwert das Finden der Königin heraus.

3. — Verwendung von Kittharz

Der in der Mehrzahl der Rassen hoch entwickelte Trieb, im Stockinnern alles mit Kittharz zu verschmieren, ist eine der unangenehmsten, häßlichsten Eigenschaften der Biene.   Diese ganz unnötige Betätigung erschwert überdies die Arbeit des Imkers beträchtlich.

Bekannterweise benützt die fasciata kein Kittharz, die camica, wenigstens etliche Stämme dieser Rasse, sind geneigt, Wachs zu verwenden anstatt Propolis.   Der Trieb zum Verkitten ist anscheinend von einer beträchtlichen Anzahl Erbfaktoren bedingt.   Es ist äußerst schwierig, diese Tendenz vollständig auszumerzen.

4. — Reinlichkeitssinn

Ein hoch entwickelter Reinlichkeitssinn erleichtert die Arbeit des Imkers.   Überdies hat diese Eigenschaft große Bedeutung in der Verhinderung und Bekämpfung von Brutkrankheiten.   Versuche, die in Amerika gemacht wurden in dieser Hinsicht, haben den klaren Beweis erbracht, daß die Resistenz gegen Faulbrut, wenigstens im Fall der bösartigen Form.   verursacht ist durch einen hochentwickelten Reinlichkeitssinn.

In einer Biene, die halbverinoderte Wabenteile duldet — und es gibt solche — steht der Reinlichkeitssinn auf einer sehr niederen Stufe der Entwicklung.   Ohne Zweifel wird es sich lohnen, die Reinlichkeit zu fördern mit jedem Mittel, das dein Züchter zur Verfügung steht.   Resistenz gegen Motten ist zweifellos durch dieselbe Eigenschaft verursacht.   In den subtropischen Ländern ist Resistenz gegen die Wachsmotte von allergrößter Bedeutung.

5. — Orientierungssinn

Ein guter Orientierungssinn, der eine fehlerlose Anflugsicherheit verbürgt — hat wirtschaftliche Bedeutung.   In Rassen, hauptsächlich in jenen, wo bei enger Stapelung der Völker die Natur im Laufe der Jahrtausende Auslese gehalten hat, wird diese Eigenschaft in einem höchsten Grad der Entwicklung vorgefunden.   Das ist insbesondere der Fall bei der syriaca und cypria, auch bei der carnica, jedoch nicht in gleich hohem Maß.   Gute Anflugsicherheit ist eine unerläßliche Eigenschaft wo Freiaufstellung der Völker nicht Brauch ist.   Dagegen kommt bei Freiaufstellung ein Verfliegen weniger in Frage.   Jedoch, wenn man hohe Verluste von Königinnen beim Begattungsflug vermeiden will, darf diese Eigenschaft nicht außer Betracht gelassen werden.   Nach meinen Erfahrungen ist bei der cypria der Orientierungssinn am vollkommensten entwickelt.   Wer die Heimat dieser Biene kennt, und die primitive Aufstellungsweise der Bienenwohnungen dort, wird die außerordentliche Anflugsicherheit als selbstverständlich betrachten.

Ein Beispiel : Ende August 1920, also zu einer Jahreszeit, wenn das Wetter nicht mehr günstig ist zur Begattung, kam aus einer Zuchtserie von 110 cypria Königinnen nur eine einzige vom Begattungsflug nicht zurück.   Die normalen Verluste, auf unserer Belegstelle auf der Dartheide, betragen durchschnittlich 18 %, bei sehr günstigem Wetter etwa 12 %.

6. — Hochdecklung

In Ländern, wo Scheibenhonig oder Sections begehrt sind, wie in England, ist die Art der Bedecklung der Honigwaben von wirtschaftlicher Bedeutung.   Wir streben nicht nur nach einer makellosen weißen Hochdecklung, sondern zugleich nach schönster kunstfertiger Ausführung.   In dieser Hinsicht überragte die englische Biene fürwahr alle anderen Rassen.   Sie hielt tatsächlich einen Standard von Vollkommenheit, der jetzt fast unerreichbar erscheint.   Ihre Bedecklung war makellos weiß, hoch und gewölbt, und der Umriß jeder einzelnen Zelle stand klar hervor.   Diese Ausführung und Art von Bedecklung ist eine Eigenschaft, die sich sehr verwickelt vererbt.   Wir haben wesentliche Fortschritte erzielt in dieser Beziehung, aber das Fixieren des Ideals ist uns bisher noch nicht gelungen.

7. — Wirrbau

Die Kaukasier–Biene offenbart eine Eigenschaft — eine sehr unerwünschte zudem — in einem Maß wie keine andere Rasse, nämlich, die Herstellung von Brücken zwischen den Wabengassen, Rähmchenholz, Deckbrett, usw.   Diese unerwünschte Eigenschaft kommt, mehr oder weniger.   zum Vorschein in allen Rassen.   Am wenigsten in der Cypria.   in der kaum je eine Spur von dieser Neigung sich zeigt.   Ein typisches Kaukasiervolk kann man nach einer Trachtperiode kaum ohne Stemmeisen öffnen, und jede einzelne Wabe im Brutraum muß mit Gewalt frei gemacht werden.   Das Vorhandensein von Brücken erschwert nicht nur die Arbeit, sondern verursacht Zerquetschung vieler Bienen, womöglich der Königin, und gibt überdies Anlaß zu Stechereien.

Im primitiven Zustand hatte die Errichtung von Brücken mutmaßlich ihren Zweck.   In einer modernen Bienenwohnung ist es ein Greuel in jeder Beziehung.   Zufällig ist es eine Eigenschaft, die sich durch zielbewußtes Züchten leicht ausmerzen läßt.

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Dies sind die wesentlichen wirtschaftlichen Eigenschaften, die von uns bei der Zuchtauslese in Betracht gezogen werden.   Äußerliche Eigenschaften sind Anhaltspunkte in der Rassenbeurteilung, dürfen aber nie als unfehlbare Kennzeichen für Leistung angesehen werden.   Extreme Farbe oder Form ist nicht gleichbedeutend mit Leistung.   Wie schon betont, Leistung beruht nicht auf dieser oder jener Eigenschaft allein, sondern auf dem harmonischen Zusammenwirken aller Glieder einer Kette von wirtschaftlichen Eigenschaften.   Je vollkommener das gegenseitige Zusammenspiel in der Verkettung der Eigenschaften, desto intensiver und höher die Leistung.

In meinen Ausführungen kommt keine bestimmte Rasse in Betracht, keine Bevorzugung diesem oder jenem Stamm.   Gewisse Eigenheiten jeder einzelnen Rasse werden nur zur Erläuterung zu meinem Thema herangezogen.   Meine Ausführungen befassen sich speziell mit Gesichtspunkten und Erwägungen, die maßgebend sind in unseren Zuchtbestrebungen.   Jedoch der Vollständigkeit halber sind einige Bemerkungen bezüglich des viel diskutierten Problems — Import oder Landrasse — hier angebracht.

Schon öfters habe ich in diesen Ausführungen die wertvollen Eigenschaften der englischen einheimischen Biene hervorgehoben.   Es besteht kein Zweifel: Diese dunkle Biene besaß eine erstaunliche Anzahl überragend wirtschaftlicher Eigenschaften.   Demnach war es gar nicht sonderbar, wenn die führenden Imker vor 40 Jahren sich gegen jeden Import sträubten.   Ihr Argument lautete : Unsere bodenständige Rasse hat sich im Zeitraum von Jahrtausenden vollständig an die ganz eigenartigen klimatischen Verhältnisse und Trachten, die auf dieser Insel herrschen, angepaßt und muß folglich die allerbeste Biene sein für Großbritannien.   Was die Natur im Laufe Tausender von Jahren mit strenger Hand erzüchtet hat, muß ipso facto unzweifelhaft die beste angepaßte Rasse sein für unsere Inselverhältnisse.   Leider beruhten diese plausiblen Annahmen auf falschen Voraussetzungen, wie die Entwicklung der Dinge alsbald bewies.   Die Natur züchtet nicht auf Leistung, noch viel weniger auf Höchstleistung, sondern auf Erhalten und Verbreitung der Art.   Überdies kann die Natur, genau so wie der moderne Züchter, keine Eigenschaft herauszüchten, entwickeln, die sich nicht schon in einer Rasse befinden.

Um das Jahr 1916 existierte die englische Biene nicht mehr.   Sie fiel als Opfer der Milbenseuche.   Sie besaß keine Widerstandskraft.   Die Importrassen, teilweise wenigstens, erwiesen sich als resistent.   Überdies : Im Lauf der Zeit überflügelten die Importrassen bei weitem die Leistungen der einst einheimischen Biene.   Tatsächlich mußte der ehemalige führende Gegner des Imports in späteren Jahren gestehen, daß die ligustica ihm bessere Honigerträge lieferte als die Biene, die er einst so heftig verteidigte.

In Verbindung mit diesem heiklen Problem — Import oder Landrasse — darf man nie vergessen : Die Natur züchtet nicht auf Ertrag– die bodenständige Biene ist nicht unbedingt die Beste; es gibt gute und schlechte carnica–Stämme, es gibt gleichwohl gute und schlechte ligustica–Linien, und in jedem Fall sind die schlechten Stämme, ohne Ausnahme, in der Mehrzahl.


Deutsch.Bienenw. 4(8) 1953 p161-166

II. Züchtungsdaten

Vererbung

Gelegentlich werden in der Vererbungsliteratur die individuellen Eigenschaften mit Mosaiksteinchen verglichen, und der Züchter einem Mosaikkünstler gleichgestellt.   Die Auswahl der Steinchen und deren harmonische Anordnung ergibt das Mosaikbild.   Genau so im Züchten: Die Auswahl und geschickte Kombination der erwünschten Eigenschaften ergibt des Züchters Kunstwerk.   Je größer die Auswahl von Steinchen, die dem Mosaikkünstler zur Verfügung stehen, desto reichhaltiger an Farbenpracht das Mosaikbild.   So im Fall des Züchters-.   Je mehr gute Eigenschaften ihm zu Diensten stehen, je reichhaltiger die Auswahl, desto vollkommener das Mosaik von Eigenschaften.   Ich sprach von einer Verkettung von Eigenschaften und sagte, daß das einzelne Glied sich nie voll entfalten kann ohne die Mitwirkung aller.   Genau so in der Vererbung: Die Entfaltung jeder Eigenschaft ist von einer mehr oder minder großen Anzahl Erbfaktoren bedingt Allerdings, im gewöhnlichen Sprachgebrauch der Vererbungslehre wird jeder Eigenschaft ein bestimmter Erbfaktor zugeordnet.   Würde man eine solche Annahme logisch verfolgen, so käme man zu einer ganz unrealistischen Auffassung der Vererbung.   Man käme zur Annahme, daß ein Organismus so zusammengestellt sei wie ein Mosaikbild aus einzelnen Steinchen.   Aber ein Organismus ist ein Ganzes, arbeitet als Ganzes, und die Teile sind dem Ganzen untergeordnet.

Die Entwicklung irgend einer Eigenschaft bedingt die Zusammenarbeit der verschiedenartigsten Erbfaktoren.   Der eine Erbfaktor, der jeweils einer bestimmten Eigenschaft zugeordnet ist, übt nur letzten Endes in dem verwickelten Zusammenspiel den entscheidenden Einfluß.   Eine gewisse Art von Zusammenarbeit beruht auf einer mehr oder weniger großen Anzahl von Erbfaktoren, von denen jeder eine bestimmte Teilwirkung verursacht und deren Wirkung sich summiert — die polymere Vererbung.   Es sind besonders Eigenschaften von quantitativer Natur, die hier in Betracht kommen, wie Rüssellänge, Flügelgröße usw.

Ein weiterer Fall beruht auf den so genannten vielgestaltigen Erbfaktorenpaaren, dem Allelomorphismus, indem nicht nur etwa der dominante und rezessive Partner gefunden wird, sondern eine Serie bis zu 20 und mehr.   Jeder von diesen Zuständen ruft eine andere Auswirkung hervor, in der Regel eine verschieden Stufe der gleichen Eigenschaft.

In der Bienenzucht wird uns die polymere Vererbung sowie der Allelomorphismus viel beschäftigen.   Die Mutationen werden manche Verluste und Enttäuschungen verursachen, die Möglichkeit einer Gewinnmutation darf jedoch nicht vollständig außer Betracht gelassen werden.   Es besteht große Unklarheit in der Frage, was die Vererbung der Biene uns wirklich bieten kann.   Die Rassenbeurteilung beschäftigt sich mit äußerlichen Merkmalen, die mehr oder weniger als Kennzeichen für Rassengüte oder Rassenwert angenommen werden.   Demgegenüber sucht die Wahlzucht ihr Heil in Leistung allein, ohne jegliche Rücksicht auf äußerliche Kennzeichen oder Reinrassigkeit.

Mit einer gewissen Berechtigung vermutet der Rassenzüchter, daß Äußerlichkeiten mit innerlichen wirtschaftlichen Eigenschaften verbunden sind.   Ich sprach soeben von der Zusammenarbeit, dem Zusammenspiel, von der Verkettung der Erbfaktoren.   Wir wissen, daß äußere Merkmale, insbesondere die Farbe, durch eine reichliche Anzahl Erbfaktoren verursacht werden.   Es ist mehr als wahrscheinlich, daß jeder von diesen Faktoren auf mehrere Eigenschaften wirkt.   Überdies lehrt die Erfahrung, daß mit dem äußerlichen Charakter einer Rasse die wirtschaftlichen, sowie die schlechten Eigenschaften mehr oder weniger verbunden sind.   Eine Biene im Gewand der camica mit innerlichen Eigenschaften der fasciata wäre in Monstrum.   Das Gewand der carnica verbürgt zu einem gewissen Maß die innerlichen Eigenschaften dieser Rasse.   Die Annahme liegt folglich nahe, daß je konzentrierter und reiner die äußerlichen Kennzeichen sich hervorheben, desto größere Gewähr vorhanden sei für ein Höchstmaß der inneren wirtschaftlichen Eigenschaften dieser Rasse.

Leider hat die praktische Erfahrung bewiesen, daß diese Annahme nicht stimmt, daß keine entsprechende Beziehung besteht zwischen der Intensität der äußerlichen Merkmale und Konzentrierung von inneren wirtschaftlichen Eigenschaften.   Trotz des Fehlens unmittelbarer Beziehungen zwischen äußerlichen und innerlichen Eigenschaften, bieten die Außenmerkmale wertvolle unentbehrliche Anhaltspunkte im Züchten allgemein, sowie in der Reinzucht und Kombinationszucht insbesondere.   Ohne feste äußerliche Anhaltspunkte, in denen wir unsere Zuchtbestrebungen verankern können, hätten wir keine Gewähr für Beständigkeit.   Stetigkeit in der Vererbung des Äußeren ist ein Anzeichen von Stetigkeit der inneren Eigenschaften.

Dagegen erhofft die Wahl– oder Leistungszucht Erfolg ausschließlich in der Leistungsauslese, ohne Rücksicht auf das Äußere oder Reinrassigkeit.   Leistung ist Leitstern und Prüfstein zugleich.   Leider hat die praktische Erfahrung bewiesen, daß diese extreme Zuchtrichtung zu Enttäuschungen führt.   Höchstleistung bedingt nicht nötigerweise eine Konzentration aller wirtschaftlichen Eigenschaften, noch viel weniger aller erwünschten Eigenschaften.

Ein Beispiel aus praktischer Erfahrung: Dr. Miller, Marengo, Illinois, U.S.A., war ein äußerst praktischer Mann.   Er war Berufsimker, züchtete viele Jahre auf Leistung ausschließlich.   Farbe war ihm gleichgültig.   Sein Stamm wurde mehr und mehr Mischling — oder was wir auf englisch unehelich (mongrel) nennen.   Die Bienen wurden stechlustiger und die Arbeit arg erschwert.   Zuletzt erfolgte ein verheerender Ausbruch von Sauerbrut.   Seine Mischlinge offenbarten arge Anfälligkeit.   Notgedrungen mußte Dr. Miller seine Mischlinge abschaffen.

Zwischen diesen zwei extremen Zuchtrichtungen — Zucht auf äußerliche Kennzeichen, und Zucht auf Leistung allein — besteht eine dritte Zuchtbestrebung, die sich teils auf Äußerlichkeiten, teils auf Leistung stützt.   Jedoch auf eine beschränkte Leistung.   In den Augen dieser Züchter bedeutet extreme Leistung eine Illusion, ein trügerisches Blenden.   Es wird angenommen, daß außerordentliche Honigleistung im allgemeinen nicht auf erblichen Eigenschaften beruht, sondern durch die Laune des Zufalls erzeugt wird.   Würde demnach eine Königin von einem solchen Volk als Zuchtmutter benützt, so wären nur Mißerfolge und Enttäuschungen zu erwarten.   Hier wird der Hauptwert auf mittelmäßige Leistung geleg In dieser Annahme ist gewiß ein Körnchen Wahrheit enthalten : Außerordentliche Honigleistung kann durch reinen Zufall verursacht, kann auch die Folge einer Kreuzung sein, verpuppt im Kleid der Reinrassigkeit.   Allerdings, wo homozygote Lebewesen in Betracht kommen, lautet ein Axiom „Gleiches ergibt Gleiche“ nach dem altbekannten Grundsatz, „der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“.

Die moderne Genetik hat gezeigt, daß es in geschlechtlich erzeugten Lebewesen kaum einen Fall von absoluter Homozygotie gibt, von Reinheit in allen Eigenschaften, von einer absoluten Gleichförmigkeit.   Wo keine absolute Gleichförmigkeit vorhanden ist, muß ein Schwanken vorkommen, ob man sich nun auf mittelmäßige oder überragende Leistung verläßt.   In der Tat, durch eine stete Ausmerzung der leistungsfähigsten Individuen ist anscheinend kein wirklicher Fortschritt möglich.   Durch die Ausmerzung überragender Fähigkeit schließen — und verriegeln — wir die Tür zu jedem Fortschritt in der Zucht.   Die natürliche Tendenz ist immer auf ein Zurückgehen, ein Abflauen der Leistung geneigt, besonders in der Bienenzüchtung, denn Leistung der Biene ist etwas Ungreifbares — wir können nur deren Resultate messen, in Zahlen umsetzen, aber nicht die latenten Energien fassen, die die Leistung hervorrufen.   Der Imker, der auf mittelmäßige Leistung züchtet, kann in dieser oder jener sichtbaren Eigenschaft einen Fortschritt erzielen, aber die allgemeine Leistung — insbesondere mit anhaltender Inzucht — wird sich stark nach unterdurchschnittlich neigen.   Demgegenüber entspringt einer sorgfältig, geschickt ausgeführten Zucht auf höchste Leistungsfähigkeit ein leistungssteigernder Impuls, denn wir erzielen dadurch eine Anhäufung, Konzentration und Intensivierung von Leistungsgenen.   Allerdings, es gibt keinen mühelosen Weg zu Erfolg.   Jeder Schritt vorwärts muß errungen werden.   Kein Züchter ist gefeit gegen Fehlschritte.   Keine Züchtung bringt solche große Schwierigkeiten wie die der Honigbiene.

Inzucht

Das wesentliche Ziel der Züchtung ist die Erhaltung des Erreichten.   Ohne Erhaltung des Erreichten wäre das Züchten ein zweckloses Streben ohne Ende, wie ein Jagen nach dem Horizont.   Erhaltung des Erreichten, sowie Beständigkeit dessen Vererbung, können nur erzielt werden durch Inzucht.   Inzucht ist der Schlüssel zu jedem dauerhaften nennenswerten Erfolg.   Jedoch derselbe Schlüssel, der Erfolg erschließt, kann gleichzeitig die Pforte öffnen zu Mißerfolgen sowie zu allerhand unliebsamen Dingen.

Mittels Inzucht können wir die erwünschten wirtschaftlichen Eigenschaften zusammenbringen, verbinden, befestigen, erhalten.   Inzucht fördert Rassenreinheit, Homozygotie : führt folglich zu Permanenz und Stetigkeit in der Vererbung.

Obwohl Inzucht die wertvollsten Ergebnisse erschließt, so dürfen wir deren gleichzeitige schwerwiegende Nachteile nicht übersehen.   Es gibt zweierlei Inzuchtschäden: Reinheit in schlechten Erbanlagen; verminderte Vitalität oder Lebenskraft.   Inzucht führt nicht nur zu Rassenreinheit, Homozygotie in wirtschaftlich wertvollen Eigenschaften, sondern auch zu Reinheit in schlechten unerwünschten Dingen.   Genau so wie sie gute Eigenschaften zusammenbringt und verbindet, so fördert die Inzucht unerwünschte und krankhafte Anlagen.   Man darf nur hinweisen auf die Lehrreichen amerikanischen Befunde, von Mackensen und Roberts, bezüglich der geschlechts bestimmenden tödlichen Allele.   Daß es letale Faktoren in den Erbanlagen der Biene gibt, wird wohl niemand bestreiten.   Es ist jedoch schwer, diese amerikanischen Befunde richtig einzuschätzen ohne eine genaue Kenntnis aller Einzelheiten.   Ich bezweifle ihre universale Gültigkeit.   Ein Verlust von annähernd 50 % der Brut von künstlich begatteten Königinnen — selbst wenn gekreuzt mit ganz landfremden Rassen — ist keine ungewöhnliche Erscheinung.   Trotz intensiver Inzucht über eine Periode von 35 Jahren habe ich bei normal begatteten Königinnen noch nie einen auch nur annähernd so hohen Verlust in dein Gelege einer Königin bemerkt.   Die allgemeine Erfahrung spricht ganz unzweideutig gegen eine universale Bedeutung der Befunde von Mackensen und Roberts.   Vermutlich handelt es sich in diesem Fall um Mutationen.

Es gibt jedoch lebensschwache Brut, verursacht durch intensive Inzucht.   Ein sehr verwickelter Fall, denn das Brutsterben kommt nur zum Vorschein, wirkt sich nur aus in Notzeiten, wenn die Pollenvortäte plötzlich versagen.   Sobald eine Pollentracht wieder einsetzt, verschwindet das Sterben.   Daß dieser Defekt erblich bedingt ist, beweist die Tatsache, daß das Brutsterben nicht allgemein auftritt, sondern nur eine gewisse Zuchtlinie trifft und daß alle Völker dieser Abstammung den Effekt aufweisen.   Vermutlich eine Unterernährungserscheinung, deren tödliche Auswirkung durch eine erbliche Schwäche bedingt ist, gefördert durch intensive Inzucht.

Erbliche Inzuchtschäden dieser Art, verursacht durch unerwünschte Eigenschaftszusammenstellungen, sind äußerst schwer auszumerzen und können Anlaß zu großen Schwierigkeiten geben.   Das Sterilität der Drohnen erblich bedingt und durch Inzucht hervorgerufen wird, ist mehr als wahrscheinlich.

Die zweite Art von Inzuchtschäden ist durch keine erblichen Defekte oder krankhaften Anlagen verursacht.   Verlust von Vitalität, Erschlaffung von Lebenskraft, die in Erscheinung treten durch Nachlassen der Leistung, sind ein charakteristisches Phänomen der Inzucht — genau so wie ”Hybrid Vigour“ — die Erlangung einer übernormalen Vitalität im entgegengesetzten Fall der Kreuzung in Erscheinung tritt.   Die eigentliche Ursache dieser beiden Phänomene, mit ihren entgegengesetzten Auswirkungen, sind in einem rätselhaften Geheimnis verborgen.

Der Verlust an Vitalität macht sich besonders augenscheinlich in der Frühjahrsentwicklung.   Bei ungünstigen Wetterverhältnissen kann die Entwicklung total versagen.   Verlust von Lebenskraft bringt nötigerweise ein Abflauen der Honigleistung mit sich.   Verminderte Leistung ist jedoch etwas Relatives und schwer, genau festzustellen.   Die Wetter– und Trachtverhältnisse, die einen weitgehenden und tiefen Einfluß auf Volksentwicklung und Leistung ausüben, verursachen große Schwierigkeiten in einer exakten Berechnung der Leistung.   Der Imker ist leicht geneigt, ein Versagen in der Leistung den klimatischen Verhältnissen zuzuschreiben.   Wo keine vergleichenden Anhaltspunkte zur Verfügung stehen, wo nur ein Stamm, einen Linie auf dem Stand gehalten werden, ist ein zuverlässiger Vergleich ein Ding der Unmöglichkeit.   Nur dauernde Vergleiche können uns von Enttäuschungen, verursacht durch Inzuchtschäden dieser Art, verschonen.

Leistungsprüfung

In der Züchtung der Honigbiene kann kein positiver Erfolg von wirtschaftlicher Bedeutung erreicht werden ohne eine Leistungsprüfung, ohne vergleichende Versuche, ohne konkrete Anhaltspunkte.   Eine exakte Leistungsbewertung in der Bienenzucht ist ein sehr kompliziertes Problem.   Die Bewertung ist immer relativ — relativ zu dieser oder jener Rasse, Stamm oder Linie —, relativ zu bestimmten Umwelts– und Trachtverhältnissen.   Die Trachtverhältnisse sind von Jahr zu Jahr und von Gegend zu Gegend — oft auf wenige Kilometer Entfernung — den größten Schwankungen unterworfen.   Bekanntlich muß der Imker, wenn er von Leistung und Ertrag redet, immer auf ein bestimmtes Jahrs und Ortsverhältnisse hinweisen.   Die bedeutendste Fehlerquelle in der Zuchtbewertung der Leistung befindet sich jedoch in einer anderen Richtung.   Vergleiche in einer Zuchtlinie stellen den relativen Wert fest zwischen den Völkern dieser Linie gleicher Abstammung.   Jedoch ohne weitere Vergleiche, weitere positive Anhaltspunkte, ist der wirkliche Leistungswert nicht festzustellen.   Nur durch weitgehende Vergleiche, womöglich ausgeführt mit mehreren Stämmen ein und derselben Rasse, in ein und denselben Umwelts– und Trachtbedingungen, erhalten wir konkrete Anhaltspunkte, die uns erlauben, die Leistung richtig zu bewerten.   Ohne ein beständiges Vergleichen und Nachprüfen der Resultate, ohne positive Anhaltspunkte wird jede Leistungsprüfung leicht zum Trugspiel.   Je mehr Vergleichsresultate sich gegenüberstehen und je mehr Vergleichswiederholungen bewertet werden können, um so sicherer die Grundlage und um so unfehlbarer der Erfolg.

Die Betriebsweise in Buckfast ist auf Vermeidung jeder Möglichkeit von Mißgeschick in der Imkerei eingerichtet, soweit das praktisch ausführbar ist.   Die 10 Außenstände sind auf Gegenden von verschiedenen Trachtverhältnissen verteilt.   In gewissen Gegenden ist der Boden leicht und sandig; in anderen von mittelmäßiger Beschaffenheit und in wieder anderen schwerer Lehm.   In trockenen Jahren erhalten wir die reichlichsten Honigernten, reinen Weißkleehonig (Trifolium repens), in den Gegenden mit schwerstem Lehm.   In Jahren mit viel Regen gibt es dort keinen Honig; die Durchwinterung ist immer ungünstig in Gegenden mit Lehm wegen der hohen Feuchtigkeit zur Winterszeit.   Auf Sandboden ist es umgekehrt.   Die Frühjahrsentwicklung hat auf jedem Stand ihre Eigenheit.   In den Tälern, wo sich die Außenstände befinden, gibt es selten Schnee.   Dagegen auf der Dartheide, wo die Belegstation ist, und wo zugleich die Vorprüfung der jungen Weisel in den kleinen Völkern stattfindet, ist der Winter rauh und streng.   Eine harte Probe für die Miniatur–Völker.   Die Umweltbedingungen auf den verschiedenen Außenständen weisen sehr krasse Unterschiede auf.   Dies hat allerdings einen wertvollen Vorteil: Sie erlauben eine Leistungsermittlung auf breitester Grundlage.

Dem störenden Einfluß des Verfliegens, das zu recht irreführenden Resultaten verleiten kann in der Leistungsprüfung, wird besondere Rechnung getragen durch die Aufstellung der Völker in Gruppen zu Viert.   Innerhalb dieser Gruppen ist je ein Stock nach Norden, Süden.   Osten und Westen gerichtet.   Die Gruppen sind in einer entsprechenden Entfernung und womöglich unregelmäßig aufgestellt.   Dies erleichtert die Orientierung und beschränkt die Gefahr des Verfliegens auf ein Mindestmaß.   Eine exakte Ermittlung der Leistung ist somit verbürgt.   Auf jedem Außenstand stehen 30–40 Völker.   Die Jungköniginnen einer jeden Zuchtmutter werden soweit wie möglich in gleicher Anzahl auf jeden Stand verteilt.

In dieser Weise läßt sich die erbtreueste und allerbeste Leistungsnachkommenschaft mit unfehlbarer Gewißheit ermitteln.   Ein konkretes Beispiel: 1949 betrug unser Durchschnittsertrag 72,5 kg pro Volk.   Jedoch 22 Völker, alle im Besitz von Königinnen der gleichen Zuchtmutter — einer von den sechs Zuchtmüttern des vorhergehenden Jahres — erzielten einen Durchschnittsertrag von 92,5 kg, also 20 kg über dem gesamten Bestand von 320 Völkern.   Ein Zufall kam nicht in Betracht, denn diese 22 Völker waren auf alle 10 Stände verteilt.   Überdies, durch die Tatsache, daß diese 22 Völker auf alle Stände verteilt waren, ergab sich der Beweis, daß diese beste Leistungslinie manche andere erstrebenswerte Eigenschaft in einem Höchstmaß besaß.   Noch einen krasseren Unterschied in entgegengesetzter Richtung erwies im gleichen Jahr unter denselben Umständen und Trachtverhältnissen die Prüfung von 30 Völkern mit Königinnen eines Alpenstammes.   Der Durchschnittsertrag dieser 30 Völker betrug 11 kg, gegen einen Mittelertrag von 72,5 kg, wie schon erwähnt.

In Verbindung mit der Leistungsprüfung möchte ich hier einen zwar unscheinbaren jedoch äußerst wichtigen Faktor erwähnen in unseren Zuchtbestrebungen bezüglich der Leistungsprüfung, nämlich die Größe des Brutraums.   Rasse und Rauminhalt des Brutkastens waren ohne Zweifel bis kürzlich die umstrittensten Probleme in der Imkerei Englands.   Es war nie meine Absicht, in diese Polemik mich einzumischen.   Würde jedoch so ein entscheidendes Moment in der Leistungsprüfung unerwähnt bleiben, so hätte ich einen wesentlichen Faktor in unserer Zuchtbestrebung außer acht gelassen.   Ein Beispiel wird die Bedeutung der Größe des Brutraums auf die Leistungsergebnisse sofort klar machen.   Unsere Heidehonigernte letztes Jahr betrug 8 Tonnen — hätte zweifellos 11 Tonnen übertroffen, aber unglücklicherweise stand den Völkern, in meiner Abwesenheit.   der nötige Raum nicht zur Verfügung.   Der erfolgreichste Berufsimker von England hatte 960 Völker in der Heide.   Seine Ernte betrug 11 Tonnen.   Da alle seine Völker mit Königinnen von unserem Stamm beweiselt waren, erschien ihm zuerst der krasse Unterschied im Ertrag ein Rätsel.   Unterschiede von Bedeutung bemerkte er schon in verflossenen Jahren, aber nie in so krasser Form wie in 1952.   Dieser erfahrene Imker mußte unwillkürlich gestehen, daß diese wesentlichen Unterschiede im Ertrag allein durch die Größenverhältnisse des Brutraums verursacht wurden.   Seine Brutkästen fassen 13 Waben von englischem Vereinsmaß (35 x 20 cm) unsere fassen 12 Dadant-Waben vonje 43 x 25 cm.   Der Rauminhalt des Brutkastens mit 12 Dadant-Waben ist annähernd das Doppelte jenes mit 13 Waben von englischem Vereinsmaß.   Selbstverständlich konnten die Völker auf englischein Vereinsmaß nie die Stärke erreichen wie jene auf Dadant-Waben, trotz gleicher Abstammung.   Obwohl sie eine Volksstärke von annähernd 50 % der unseren erlangen konnten, betrugen unsere Leistungsergebnisse — nicht das Doppelte, sondern fast das Dreifache — ein Beweis der altbekannten Tatsache von den Leistungsverhältnissen einer größeren Volksstärke.

Ein Brutraum, der die Legetätigkeit einer Königin beschränkt, vereitelt die volle Entwicklung und nötigerweise die volle Leistungsmöglichkeit eines Volkes.   Die eigentliche Volksstärke wird durch die Beschränkung herabgesetzt auf eine annähernd gleichmäßige Höhe.   Schwankungen in Leistung, verursacht womöglich durch Langlebigkeit, Fleiß, Flugkraft usw., kommen dennoch zum Vorschein, aber in der wesentlichen Eigenschaft der Fruchtbarkeit.   die die Volksstärke bestimmt, hat eine Gleichschaltung stattgefunden.   Höchstleistungsergebnisse sind folglich ausgeschlossen und damit der reale Anhaltspunkt einer Leistungsbewertung, denn die Beurteilung ist durch Gleichschaltung der V olksstärke auf mittelmäßige, schwer bestimmbare Leistung festgesetzt.   Solche Resultate können auf schlimmste Irrwege verleiten.

Abgesehen von der Honigleistung, hat uns der Dadant-Brutkasten viele wertvolle Aufschlüsse erteilt im Lauf der Jahre bezüglich des Wertes der verschiedenen Zuchtverfahren.   Weisel, die in irgend einer Weise einen Schaden erlitten haben in ihrem Entwicklungsstadium, was sich bei beschränkter Legetätigkeit nie offenbaren kann, kommen alsbald zum Vorschein in einem großen Brutraum.   Eine beeinträchtigte Fruchtbarkeit macht sich sofort bemerkbar.   Dagegen würde sich ein solcher Defekt kaum zeigen in einem Brutraum, wo die Legetätigkeit einer Königin beträchtlich beschränkt wird.   Tatsächlich werden dort viele Vergehen des Züchters in Dunkelheit gehüllt und übersehen.

Viele unwägbare Momente, die sich einer Berechnung entziehen, gegenüber welchen wir machtlos sind, spielen sowieso eine bedeutende Rolle in der Honigleistung.   Wo überdies das entscheidende Wertzeichen — die Höchstleistung — dauernd unterbunden ist, da ist tatsächlich eine zuverlässige Leistungsbeurteilung kaum möglich.   Obwohl mit der Zeit Fortschritt in dieser oder jener augenscheinlichen Eigenschaft errungen wird — wie in der Sanftmut, Schwarmneigung, Krankheitsfestigkeit usw., — so sind diese einzelnen erzielten Vorteile begleitet von einem Verfall der Leistung.   Wo Höchstleistung dauernd unterbunden wird in irgend einer Weise, wird Leistung, die Krone der Zucht, unseren Bemühungen immer entfliehen.

Ich bin mir natürlich voll bewußt, daß ein unbeschränkter Brutraum nicht in jeder Trachtgegend angebracht ist, insbesondere in jenen nicht, wo eine Frühtracht die einzige Honigernte bedeutet.

Auslese der Zuchttiere

Wie schon öfters angedeutet, zielen wir in all unseren Zuchtbestrebungen — sowie in der Imkerei im allgemeinen — auf Ausschaltung jeder Möglichkeit von Zufall, Mißgeschick usw., soweit das praktisch ausführbar ist.   Bei einer so ausschlaggebenden Wichtigkeit, wie der endgültigen Auslese der Zuchttiere, ist doppelte und dreifache Vorsicht geboten zwecks Vermeidung von jedem Zufallsgeschick.

Obwohl auf Höchstleistung größter Wert gelegt wird, so ist sie dennoch nicht die allein entscheidende Erwägung in der endgültigen Auslese der Zuchttiere, Zum Beispiel: hervorragende Leistung kann mit Stechlust verbunden sein, nicht unbedingt unbändiger Stechlust, ein solches Volk oder dessen Königin kommt nicht in Betracht für Zuchtzwecke, außer es besitzt gleichzeitig andere gute Eigenschaften in einem besonderen Maß, die den einen Nachteil ausgleichen würden.   Ein Aufstellen von allgemein gültigen Richtlinien, nach denen die Auslese erfolgen sollte, ist kaum möglich.   Die Entscheidung muß von Fall zu Fall getroffen werden.   Eine genaue Kenntnis der Eigenheiten von Rasse und Stamm ist die unerläßliche Vorbedingung zu einer fehlerlosen Auslese.   In dieser Angelegenheit wird viel Wert gelegt auf „Fingerspitzengefühl“.   Das ist jedoch eine fragliche Fähigkeit, auf die ich mich nicht endgültig verlassen möchte.   Wenn mich meine langjährige Erfahrung etwas sicher gelehrt hat, so ist das die Tatsache, daß keine Möglichkeit besteht, im voraus den endgültigen Zuchtwert einer Königin zu bestimmen.   Wir besitzen kein Mittel oder Anzeichen, wonach wir mit Bestimmtheit im voraus feststellen können, welche von einer Anzahl Königinnen mit genau gleichen Leistungsergebnissen den besten Zuchtwert in sich birgt.   Ein endgültiges Urteil kann nur eine Prüfung der Nachkommen der Zuchttiere ergeben.   Folglich züchten wir jedes Jahr von einer Anzahl Zuchtköniginnen.   Die Erfahrung hat den ganz unzweideutigen Beweis erbracht, daß unter diesen Zuchtköniginnen immer eine ist, deren Nachkommen, sei es in Leistung oder dieser oder jener er wünschten Eigenschaft, die anderen übertrifft.   Ich darf nur auf das Beispiel hinweisen von 1949, in welchem 22 Völker mit Königinnen von einer bestimmten Zuchtmutter einen Mehrertrag von 20 kg erzielten über den allgemeinen Durchschnittsertrag von 72,5 kg.   Diese Vergleiche unter der Nachkommenschaft der verschiedenen Zuchtmütter ergeben nicht nur manche wertvolle Aufschlüsse, sondern verbürgen gleichzeitig die Gewißheit, daß wir uns nicht auf Irrwegen in der Zucht befinden.   Gewiß, es gibt auch Versager unter den Zuchttieren, trotz aller Vorsicht in der Auslese, aber diese werden sofort entlarvt in den ersten Kontrollvergleichen, Sie können uns auf keine falsche Pfade verleiten und keinen weiteren nachteiligen Einfluß auf die Zucht ausüben, was der Fall sein könnte, würden wir uns nur auf ein „Fingerspitzengefühl“ verlassen und die Nachzucht auf eine anscheinend beste Zuchtmutter beschränken.   Eine solche Versuchung liegt nahe, denn man will das Beste mit dem Besten vereinigen.   Wer kann aber das beste Zuchttier ermitteln ohne eine Nachzuchtprüfung, ohne Nachzuchtvergleiche?   Gewiß eine unverzeihliche Torheit von jedem Züchter, der sich eine solche Anmaßung erlaubt.

Um das Jahr 1918 erschien in England eine kleine Broschüre mit dein Titel ”Let the Bees tell you“, (Laß die Bienen es Dir sagen), eine unscheinbare, aber äußerst praktische Abhandlung über die Bienenzucht.   Der Verfasser wies auf die Notwendigkeit hin, den Bienen nichts vorzuschreiben: die Bienen sollten uns in jeder Frage die Entscheidung und Antwort geben.

Auf mein Thema bezogen möchte ich anfügen: „Laßt die Nachzuchtprüfung und die Nachzuchtvergleiche entscheiden“.   Zweifellos ist das der sicherste Weg und das Geheimnis jedes nennenswerten züchterischen Erfolgs.   Ohne dauerndes Prüfen und ohne Vergleichswiederholungen auf breitester Grundlage, ist das Züchten der Honigbiene, mit ihren vielen Eigenheiten, ein ziemlich hoffnungsloses Zufallsspiel.

Dieselbe Wahrheit behält genau gleiche Gültigkeit bezüglich der Zuchttiere oder Zuchtvölker, die Drohnen liefern zur Begattung der Königinnen.   Wir können nie mit Gewißheit im voraus bestimmen, welches Volk die besten, erbtreuesten Drohnen liefern wird.   In der künstlichen Begattung stößt man auf allerhand Sonderheiten der Drohnen, von denen man früher kaum eine Ahnung hatte.   Im Fall der Drohnen sind leider keine Zuchtprüfungen und Zuchtvergleiche möglich.   Eine ganze Serie von Belegstationen wäre dazu nötig.   Das ist zweifellos die wundeste Stelle in der Züchtung der Honigbiene.

Die Zuchtbewertung der Vatervölker ist beschränkt auf die Ahnenreihe der mütterlichen Vorfahren.   Leistungserbwert der Drohnen wird erbracht durch die Arbeitsbienenveranlagung ihrer ehemaligen Muttervölker.   Die Erbveranlagung der Drolinen entspricht der ihrer Mutter, ohne irgend, eine Einschränkung und das mütterliche Erbgut den Leistungen und Eigenschaften ihrer Schwestern, der Arbeitsbienen des Muttervolkes, aus dem die Königin stammt.   Leistung der im Vatervolk tätigen Arbeitsbienen — der Halbschwestern der Drohnen — kann zur Beurteilung des Zuchtwertes der Drohnen nicht herangezogen werden, wird jedoch von uns in Betracht genommen in der endgültigen Auslese der Vatervölker.

Eine Zuchtprüfung und Zuchtvergleiche um den Erbwert von einem bestimmten Dröhnerich einwandfrei festzustellen, sind praktisch kaum ausführbar.   Folglich besitzen wir keine positiven Anhaltspunkte von dem wirtschaftlichen Zuchtwert der Vatertiere.   Die Merkmalsbeurteilung gibt nur Auskunft bezüglich Rassenreinheit.

Wie schon betont, wir können nie mit Gewißheit im voraus bestimmen, welches Volk die besten, erbtreuesten Drohnen liefern wird.   Demnach ist das Risiko in der Verwendung von einem Vatervolk je Belegstation zu groß, ganz abgesehen von all den anderen Nachteilen, die eine solche Beschränkung zur Folge hat.   In dieser Hinsicht wird viel zu viel als selbstverständlich angenommen, mehr dem Zufall überlassen als die Resultate rechtfertigen.   Will ein Mißgeschick, daß trotz aller Vorsicht in der Auslese das einzige Vatervolk doch tatsächlich von unterdurchschnittlichem Zuchtwert ist, was sich ohne exakte Vergleiche schwer feststellen läßt, so ist der Schaden schon unwiderruflich angerichtet — mehr als wahrscheinlich, ohne unser Wissen.

Wir umgehen dieses schwerwiegendste Problem in der Bienenzüchtung, indem wir uns nicht auf ein Vatervolk verlassen, sondern immer auf drei oder vier.   Die Muttertiere dieser drei oder vier Vatervölker sind selbstverständlich Schwestern, die auserlesensten von hundert bis zweihundert Völkern, alle mit Königinnen von derselben Zuchtmutter.   Diese auserlesensten Schwesterköniginnen sind vermutlich nie vollkommen identisch mit ihren Erbanlagen.   Folglich herrscht unter der weiblichen Nachkommenschaft von diesen vier Gruppen von Drohnen eine weitere Variation, und eine bessere Selektion ist ermöglicht.   Die Inzucht ist nicht zu eng gehalten, sondern auf breiter Basis.

Überdies ist die Anzahl der Drohnen auf der Belegstation viermal soviel, die Auswahl entsprechend größer, die Begattung schneller und sicherer.   Es wäre ein kaum glaubliches Mißgeschick, wenn alle vier oder die Mehrzahl der Vatervölker von unterdurchschnittlichem Zuchtwert sich erweisen würden — was sicherlich eher möglich wäre im Fall eines einzigen Dröhnerichs.   Allerdings, Vergleiche werden auch hier angestellt.   Zeitweise werden die Vatervölker während der Zuchtzeit gewechselt mit Vatervölkern anderer Abstammung.

Trotz dein Vorhergesagten verwenden wir in besonderen Kreuzungsversuchen nur eine bestimmte Anzahl von Drohnen, von denen jeder einzeln ausgelesen wird.   In solchen Fällen nehmen wir etwa 25 Drohnen auf jede Königin, aber nie weniger als 2500 insgesamt.   Durch dieses Sonderverfahren haben wir schon wertvolle wirtschaftliche Resultate erzielt, ganz abgesehen von den rein wissenschaftlichen Aufschlüssen, die dadurch gleichzeitig erreicht wurden.   Eine Sonderauslese der Drohnen ist eine außergewöhnliche Maßnahme, die sich jedoch in den speziellen Versuchen gerechtfertigt hat.

Künstliche Begattung

Die künstliche Begattung besitzt zweifellos einen bestimmten wissenschaftlichen Wert, hat aber kaum eine wesentliche praktische Bedeutung.   Tatsächlich sind sogar die wissenschaftlichen Aufschlüsse, die die künstliche Begattung ergibt, von beschränktem Umfang.   Solange keine Möglichkeit besteht, einen annähernd gleich günstigen Erfolg zu erzielen mit dem Samen einer einzigen Drohne, verliert dieses Verfahren jede wesentliche Bedeutung für ein Erbgangsstudium.

Mehrbegattung

Eng verbunden mit dem eben erwähnten Problem ist die Frage der Mehrbegattung in der Natur und ihrer Bedeutung in der Zucht.   Mehrbegattung kommt ohne Zweifel öfters vor als bisher angenommen wurde.   Jedoch sind soweit keine einwandfreien Beweise erbracht worden, daß, wo Mehrbegattung stattgefunden hat, jede individuelle Begattung ganz oder wenigstens teilweise erfolgreich war.   Nach meinem Ermessen haben die amerikanischen Befunde keine allgemeine Gültigkeit.   Die Beobachtungen, nach dem Originalbericht, wurden gemacht mit einem ingezüchteten Aurea-Stamm, dessen Drohnen mehr als wahrscheinlich mit Sterilität belastet waren.   Die Zahlenverhältnisse, die den Beweis von effektiver Mehrbegattung erbringen sollten, stimmen überdies in einem wesentlichen Punkt nicht.

Mehrbegattung ist nicht die Norm, sondern die Ausnahme bei der Honigbiene.   Sie ist ein Beweis, ein Anzeichen einer Abnormalität.   Vermutlich ist Sterilität der Drohnen nicht nur erblich, sondern auch weitgehend durch die Aufzucht bestimmt.

Als einen Beweis, daß die Mehrbegattung nicht so allgemein ist, möchte ich hier eine Erfahrung kurz erwähnen.   Am 19.   Mai 1945 schlüpften auf unserer Belegstation annähernd 500 Weisel.   Die vorhergehenden Wochen waren ideal zur Aufzucht.   Jedoch am 19.   Mai setzte plötzlich eine Änderung im Wetter ein, dann folgte anhaltend kaltes und regnerisches Wetter bis zum 13.   Juni.   Dieser Tag war hell und wolkenlos, aber mit kühlem Wind vom Nordwesten — jedoch der einzige Tag, an dein eine Begattung stattfinden konnte.   Die folgenden drei Tage waren wieder bewölkt und regnerisch.   Am 17.   hellte es auf und wurde zum ersten Mal wirklich warm seit dem 18.   Mai.   Am 18.   Juni befanden sich etwa 90 % der Königinnen in Eierlage.   Hier war also eine Mehrbegattung fast ausgeschlossen.


III. Aufzucht der Königinnen

Wir haben soweit die theoretischen und praktischen Gesichtspunkte der Bienenzüchtung berührt.   Nun kommen wir zu Aufzucht der Königinnen.

Hier möchte ich im voraus etliche Bemerkungen anfügen, bezüglich der Verwerflichkeit jeder Künstelei in der Weiselzucht.   Ich habe schon auf die wertvollen Aufschlüsse hingewiesen, die wir in dieser Beziehung erhalten haben durch die Verwendung eines unbeschränkten Brutnests.   Die Erfahrung im Laufe der Jahre hat uns ganz unzweideutig gelehrt, daß jeder Eingriff, jede Unvorsichtigkeit während der Entwicklungsperiode vom Ei bis zur begatteten und vollreifen Königin deren künftige Leistung, Ausdauer und Langlebigkeit unerbittlich beeinträchtigt.

Ganz offenkundig verursachte Defekte widerspiegeln sich in einem plötzlichen Versagen oder einem vorzeitigen stillen Umweiseln.   Weniger heftige Beschädigungen verursachen eine Beschränkung der maximalen Legetätigkeit.

Nach unseren Erfahrungen ist eine Königin, die im Brutschrank geschlüpft ist, nie gleichwertig einer, die in normalen Verhältnissen frei inmitten eines Volkes ihre ersten Lebensstunden verbracht hat.   Der Unterschied ist vielleicht nicht sehr augenscheinlich, aber ein Unterschied besteht in jedem Fall ohne Ausnahme.   Jede Königin, die eine längere Zeit in einem Käfig verbracht hat, ist nie gleichwertig einer, die nie eingesperrt wurde.   Alter und Zustand der Königin zur Zeit der Einsperrung verursachen unterschiedliche Beeinträchtigungen.   Kurzum, jede Künstelei in der Aufzucht ist verwerflich und sollte womöglich strengstens vermieden werden von jedem Züchter, der Wert legt auf die künftige Leistung, Ausdauer und Langlebigkeit der Königinnen.

Zuchtköniginnen

Zuchtstofflieferanten werden bei uns immer, ohne jede Ausnahme, in Kleinvölkern auf drei oder vier Dadant- Waben untergebracht.   Der Zweck dieser Beschränkung ist zweifach:

  1. Zur Vermeidung einer vorzeitigen Erschöpfung dieser wertvollen Tiere.
  2. Zur Erhaltung von Zuchtstoff mit maximaler Lebenskraft.

Die erste wesentliche Bedingung in der Weiselzucht ist ohne jeden Zweifel der Zustand der Zuchtmutter, die den Zuchtstoff liefert.   Die Zuchtmutter muß in voller, unverminderter Lebenskraft sich befinden -, ihre Legetätigkeit muß auf ein Mindestmaß beschränkt werden, um ein Höchstmaß von Vitalität im Zuchtstoff zu verbürgen.   Gleichfalls, eine Zuchtkönigin, deren Volk Vorbereitungen trifft zum stillen Umweiseln, darf unter keinen Umständen weiter benützt werden.   Unsere Erfahrungen haben den ganz unzweideutigen Beweis wieder und wieder erbracht, daß Zuchtserien von einer Königin in einem großen Volk nie gleichwertig sind, jenen von Zuchtmüttern, deren Legetätigkeit auf ein Mindestmaß beschränkt wurde.   Die genau gleiche Erfahrung trifft zu bezüglich einer bewährten Zuchtkönigin, deren Volk durch stilles Umweiseln das herannahende Ende ihrer Lebenskraft andeutet.   Nachzuchten von solchen Müttern haben sich immer, ohne je eine Ausnahme, als minderwertig bewiesen nach unserer Erfahrung.

Ich bin mir wohl bewußt, daß die allerbesten Königinnen nur direkt vom Ei erzüchtet werden können.   Hier stoßen wir jedoch schon auf einen Fall, wo das Ideal den praktischen Erwägungen weichen muß — wenigstens in einem Großbetrieb.   Die Mindestzahl von Weiselzellen einer Zuchtserie ist auf 200 angesetzt.   Das Umlarvverfahren ist deshalb eine unvermeidliche Notwendigkeit.   Mittels Ausstanzen der Eier würden wir nie die nötige Anzahl von gleichem Alter erhalten.   Wir umgehen die wesentlichen Nachteile des Umlarvens, indem wir nur Maden verwenden, die nicht über 12 Stunden alt sind.   Die Annahme von so winzig kleinen Maden ist jedoch nicht so hoch, wie bei der Verwendung von Maden bis zu 2 Tage alt.   Das ist jedoch nebensächlich.

Die Völkchen, in denen die Zuchtstofflieferanten untergebracht sind, müssen immer eine entsprechende Stärke an Jungbienen besitzen.   Wenn überstark, dann wird ein Teil der Flugbienen abgefangen, insbesondere bei gutem Trachtwetter.   Falls keine Tracht vorhanden ist, dann wird ständig leicht gefüttert mit Honiglösung während der Zuchtsaison.

Etwa vier Tage vor Zuchtbeginn wird eine Wabe, die zuerst durch und durch erwärmt wurde, in das Völkchen mit der Zuchtmutter eingehängt.   Alle zwölf Stunden wird Nachschau gehalten, ob Eier vorhanden sind.   Sobald die erwünschte Anzahl vorhanden ist, werden die Vorbereitungen getroffen zum Umlarven drei Tage später.   Die Völkchen mit Zuchteiern sollten wenig unbedeckelte Brut sonst besitzen, so daß die Zuchtmaden ein Übermaß von Futtersaft erhalten vom ersten Moment ihrer Existenz.

Pflegevolk

Die Lebenslage, die Art der Erbrütung und Pflege in der Larvenzeit bedingt den wirtschaftlichen Wert eines jeden Weisels.   Tatsächlich kann eine ungünstige Lebenslage die Auswirkung der erblichen Anlage weitgehend hemmen, so daß gewisse Eigenschaften gar nicht zum Vorschein kommen können.   Folglich fordert die Aufzucht der Weisel die günstigsten Verhältnisse, die wir verschaffen können.

Es gibt verschiedene Verfahren zur Aufzucht der Weisel.   Die Züchter in Amerika verwenden hauptsächlich den Regenerationstrieb zur Erzeugung von hochwertigen Weiseln.   Die Weiselzellen werden erbrütet in einem weiselrichtigen Pflegevolk über einem Absperrgitter in einem zweiten Brutraum.   Sehr gute Resultate werden mit diesem Verfahren erzielt, wenn sich das Pflegevolk in geeigneter Stimmung befindet.   Das ist jedoch ein unbeständiger Faktor, der von vielen Bedingungen in der Umwelt abhängt.   In guter Tracht versagt diese Aufzuchtmethode vollständig.   Überdies, zum besten Erfolg muß immer Brut vorhanden sein im Raum mit den Weiselzellen, und das Übersehen einer Weiselzelle auf diesen Brutwaben, was auch mit der peinlichsten Sorgfalt nicht immer vermieden werden kann, bedingt die Vernichtung einer ganzen Zuchtserie — eine Möglichkeit, der man immer Rechnung tragen muß.   Obwohl, wie erwähnt, dieses Verfahren weitgehende Verwendung findet, haben wir es in Buckfast seit Jahren nicht mehr angewandt.   Erfolg mit dieser Methode ist größtenteils eine Glückssache und vom Zufall bestimmt.   Nach unserer Ansicht darf aber in einer so grundwichtigen Angelegenheit nichts dem Zufall überlassen werden.   Jede leiseste Möglichkeit von Zufall muß mit zielbewußter Sicherheit ausgeschlossen werden, auch der Einfluß von Witterungs- wie Trachtverhältnissen.   Wir verlangen eine Zuchtmethode, die uns erlaubt, zu jedem bestimmten Zeitpunkt eine Zucht einzuleiten, wobei jedes Zufallsmoment ausgeschlossen ist und die Gewißheit eines zuverlässigen Erfolges verbürgt.

Niemand wird bezweifeln, daß der Schwarmtrieb alle Vorbedingungen in sich schließt, die zu einer bestmöglichen Königinerneuerung führen.   Die Umweltverhältnisse erreichen den günstigsten Höchstpunkt zur Schwarmzeit.   Das Schwarmfieber ist der naturbedingte Ausdruck optimaler Umwelteinflüsse.   Wir können uns leider nicht auf die naturbedingte Schwarmzeit und den Schwarmtrieb verlassen.   Wir können jedoch den Schwarmtrieb künstlich hervorrufen, mehr oder weniger nach Wunsch zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Colonies d'élevage
In der Stand des Klosters: Gruppe von drei
Bienenstöcke breit, Zucht zu beginnen.
Foto Paul Jungels.

Unser Verfahren ist wie folgt: Irgend ein Volk auf 12 Dadant-Waben erhält einen zweiten Brutkasten, über einem Absperrgitter, mit 12 Waben bedeckelter Brut und anhaftenden Bienen, womöglich von einem Außenstand.   Das zukünftige Pflegevolk besitzt nun etwa 20 Waben Brut insgesamt.   Falls keine Tracht herrscht, wird Honiglösung gefüttert.   Zehn Tage später werden alle Weiselzellen im oberen Brutraum zerstört.   In weiteren drei Tagen strotzt das Pflegevolk von jungen Bienen.   Im unteren Brutraum, wo die Königin sich befindet, sind zu diesem Moment Vorbereitungen zum Schwärmen in vollem Gang.   Das Riesenvolk hat zu diesem Zeitpunkt die günstigsten Vorbedingungen zur Pflege und Aufzucht der Weisel erreicht.   Den endgültigen Tag der Zuchteinleitung bestimmt das Alter des Zuchtstoffes, war wir genau kennen, drei Tage vorher.   Am gegebenen Tag des Zuchtbeginns wird etwa um 10 Uhr vormittags der obere Brutkasten des Pflegevolks an den Platz des unteren gestellt.

Ajout
Junge Bienen aus dem Rahmen der unbedeckelter
Brut abgefegt. Photo Paul Jungels.

Danach wird die Königin ausgesucht und die Bienen von etwa 8 Waben — hauptsächlich von jenen mit unbedeckelter Brut — abgefegt und dem Pflegevolk zugegeben.   Nach dieser Operation besitzt das Pflegevolk alle Flugbienen, ein Übermaß von Ammen sowie Honig und Pollen; der Schwarmtrieb ist hoch entwickelt — überdies ist durch die Wegnahme der Königin und unbedeckelter Brut das Riesenvolk in die bestmögliche Stimmung zur sofortigen Annahme sowie Pflege des Zuchtstoffes versetzt.   Der Futtersaft, den die Ammen in Vorbereitung haben, wird ohne jeden Zeitverlust an den Zuchtstoff verabreicht, der dem Pflegevolk etwa drei oder vier Stunden nach Wegnahme der Königin verabreicht wird, also etwa 2 Uhr nachmittags.   Hier besteht keine Gefahr, daß die kleinen Maden in den Weiselnäpfen in den ersten paar Stunden vernachlässigt werden.   Mittels diesem Verfahren sind alle Zufallsmomente ausgeschlossen und zugleich alle Vorbedingungen vereint, die einen besten Erfolg versichern.   Falls keine Tracht vorhanden ist, wird eine gebührende Menge Honiglösung dauernd verabreicht, bis die Weiselzellen bedeckelt sind.

Als zweites, sehr zuverlässiges Verfahren wird der Sammelfegling von uns oft angewandt.   Es werden auf einem Außenstand von 10 Völkern die Ammen von je zwei unbedeckelten Brutwaben in einen Zuchtkasten gefegt oder geschüttelt, also die Bienen von 20 Brutwaben insgesamt.   Der Zuchtkasten ist mit 9 Dadant- Waben, reichlich versehen mit frischem Pollen und Honig.   ausgestittet.   Der Sammelfegling wird sofort auf den Heimstand befördert, der Eingang geöffnet und ein Futtertrog mit Honiglösung über dem Zuchtkasten aufgestellt.   Nach ungefähr 4 Stunden wird der Zuchtstoff dein Fegling verabreicht.   Falls keine Tracht herrscht, müssen die Völker auf dem Außenstand, von denen die Bienen genommen werden, dauernd 5 Tage vorher gefüttert sein.   Diese Reizfütterung ist unerläßlich, um die Ammen in eine geeignete Zuchtstimmung zu versetzen.

Beide Verfahren erzielen zuverlässige Resultate, die unseren Anforderungen voll entsprechen.   Die Anzahl der Weiselzellen, die man von diesen bei den Aufzuchtmethoden erhalten kann oder irgend einem anderen Verfahren bestimmen Zahl und Brutlust der Pflegebienen.   Ein guter Züchter interessiert sich jedoch weit weniger für die Zahl der angenommenen Weiselzellen als für deren endgültige Qualität.   Nichts in der Imkerei muß mit so teurem Geld bezahlt werden als minderwertige Königinnen.   Auf meinen Reisen letztes Jahr zeigte mir ein Züchter eine Serie von Jungköniginnen, auf die er wirklich stolz war.   Es war mir sonnenklar, daß von rein geschäftlichem Standpunkt betrachtet, solche Miniaturgeschöpfe seinen Ruf als Züchter unwiderruflich schädigen müssen.   In diesem Fall handelte es sich ohne Zweifel um Zwergköniginnen, deren Entwicklung gehemmt wurde durch Unterernährung.

Es muß jedoch hier erwähnt werden, daß die Größe einer Königin nicht gleichbedeutend ist mit Fruchtbarkeit.   Cyprier sind durchschnittlich klein, dennoch die Fruchtbarsten, die es gibt.   Königinnen von unserem Stamm sind zweifellos kleiner als die der carnica, die der mellifica sind groß, jedoch nicht fruchtbar nach unseren Feststellungen.

Noch eine wichtige Bemerkung: In den beiden erwähnten Zuchtverfahren, die wir stets verwenden, wird immer nur eine Serie Weiselzellen aufgezogen, in keinem Fall ein zweite.   Eine Möglichkeit zu einer zweiten wäre vorhanden, insbesondere im ersten erwähnten Verfahren.   Die zweite Serie wäre jedoch nicht gleichwertig der ersten.

Die Weiselzellen werden dein Pflegevolk überlassen, bis sie ihre volle Reife erreichen.   Am 10. Tag nach dem Umlarven wird das Pflegevolk samt den Weiselzellen auf die Belegstation transportiert.   Unmittelbar nach der Ankunft dort werden die reifen Weiselzellen in die Begattungsvölkchen verschult.   Falls die Bienen von dem Pflegevolk verwendet werden auf der Belegstation zur Verstärkung der Begattungsvölkchen, dann werden selbstverständlich die unerwünschten Drohnen vorher abgesiebt.

Begattungskästen

Die Art der Begattungskästen ist ein äußerst wichtiges Moment in jedem Belegstationsbetrieb, Form und Größe der Kästen erleichtern oder erschweren den Betrieb sowie den endgültigen Erfolg einer Belegstation.   Unsere klimatischen Verhältnisse und Betriebstechnik stellten besondere Forderungen in dieser Hinsicht.   Zahlreiche Versuche wurden angestellt über eine Periode von 20 Jahren, um den für unsere Zwecke geeignetsten Typ zu finden.   Fast alle Formen und Größen wurden erprobt, von den kleinsten amerikanischen Sections bis zu Kästen mit Vollwaben von englischem Vereinsmaß; sowie einzelne und mehrere Völkchen in einem Kasten.   Für 12 Jahre verwendeten wir mit gutem Erfolg Halbrahmen von englischem Vereinsmaß, mit vier Völkchen auf je drei Halbrahmen, in einem Kasten untergebracht.   Sie erwiesen sich sehr vorteilhaft im Sommer, aber viel zu klein für die Überwinterung.   Schließlich, nach weiteren Versuchen, erwiesen sich Dadant–Halbrahmen als das einzig für uns Geeignete.   Die Zuchtkästen, die wir seit 1937 verwenden, sind dergestalt erbaut, daß sie 16 Dadant–Halbrahmen fassen können.   Jeder Kasten ist zweigeteilt und jeder der beiden Räume wieder durch auswechselbare Scheidewände in weitere zwei Räume unterteilt.

So haben wir in jedem Kasten vier Abteilung, von denen jede vier Halbrahmen enthält.   Die Wabenfläche dieser Dadant–Halbrahmen ist 19 x 25 cm.   Die Zuchtvölkchen auf vier dieser Halbrahmen versorgen sich selbst in einem normalen Sommer, sind aber dennoch klein genug, um den Trieb nach Drohnenbrut abzuhalten und zugleich groß genug, um die begatteten Königinnen zur Vorprüfung zu überwintern.

Wie der Amerikaner Eugen Pratt vor einem halben Jahrhundert schon den Beweis erbrachte, so besteht die Möglichkeit, mit einem Miniaturvölkchen von ein paar Dutzend Bienen eine erfolgreiche Begattung zu erzielen.   Gegenwärtig sind ja Berichte im Umlauf von Erfolgen mit nur zwölf Bienen, Zur entsprechenden Pflege und Erreichung von vollwertigen Königinnen ist jedoch eine bestimmte minimale Volksstärke und ein gewisses Volksverhältnis eine unentbehrliche Notwendigkeit.

Etliche von den heutzutage verwendeten Begattungskästchen erfüllen diese minimalsten Anforderungen kaum.   Überdies kann eine Diät, größtenteils von Zucker, während dieser empfindlichen Entwicklungsperiode eine Königin kaum zum besten Erfolg führen.

Wir vermeiden grundsätzlich jeden Eingriff, der nicht unbedingt nötig ist, während der Entwicklungsperiode einer Königin vom Ei an bis zum Zeitpunkt ihrer Vollreife, die sie erreicht, etwa vier Wochen nach der Begattung.   Außer dem Umlarven und Verschulen der reifen Weiselzellen erfolgen keine Eingriffe.   Das endgültige Zusetzen nach der Vorprüfung wird erreicht ohne ein lang andauerndes Verweilen in einem Zusatzkäfig.

Drühnerich

Hier auf dem Kontinent wird fast ausschließlich nur ein Vatervolk auf je einer Belegstation verwandt.   Wir verwenden durchschnittlich vier auf der unseren.   Die wesentlichen Gründe, die uns zu dieser Abweichung im herkömmlichen Belegstationsbetrieb bewegten, wurden schon eingehend erörtert.   Dies sind: Größere Sicherheit in der Auswahl der Drohnen, sowie schnellere und zuverlässigere Begattung.

Anmerkung: Nach der Veröffentlichung eines mathematischen Modells zur Beschreibung des Phänomens der mehrere Befruchtungen, verwenden Sie die wichtigsten Züchter mindestens ein Dutzend und mehr. JMVD.

Die Vatervölker müssen ständig in bester Stimmung und Zuchtfähigkeit erhalten werden.   Die günstigste Lebenslage, Erbrütung und Pflege der werdenden und flüggen Drohnen ist ein unerläßliches Gebot.   Kein leichtes Problem, denn ein hervorragender Zuchtstamm ist äußerst geneigt, bei andauernd ungünstigem Wetter die Drohnen zu verjagen.   Als Gegenmaßnahme wird bei jeder Trachtpause andauernd gefüttert mit Honiglösung -zwei Drittel Honig, ein Drittel Wasser.   Zugleich werden die Vatervölker, während der Zuchtsaison, öfters verstärkt durch Zugabe von jungen Bienen.   Jedes Vatervolk muß allzeit strotzen von Pflegebienen, denn der Zuchtwert der auserwählten Drohnen ist weitgehend bedingt durch Erbrütung und Pflege.

Belegstationen

Unsere Belegstation ist mitten auf der Dartheide, einem ausgedehnten Hochplateau, in einer Entfernung von etwa 17 km von der Abtei in einer Höhe von 400 m in einem geschützten Talkessel gelegen.   Durch seine Lage am Hange eines Hügels ist diese von Tannen umgebene Talmulde gegen den vorherrschenden Südwestwind vortrefflich geschützt.   Die Belegstelle ist wohl isoliert; auf eine Entfernung von 10 km gibt es keine Bienenstände.   Überdies besitzt die Dartheide den überragenden Vorteil für unseren Zweck, daß sie fast total baumlos und unbewohnt ist.   Das Klima auf der offenen Heide ist so rauh, daß kein Schwarm dem schnellen Tod in der Wildnis entrinnen kann.

Der Wert der Belegstationen ist in letzter Zeit stark bezweifelt worden.   Absolut zuverlässige Belegstationen sind gewiß schwer zu finden.   Nach meinem Ermessen ist ein bienenfreier Radius von 5 km Durchmesser unerläßlich.   Vor etlichen Jahren beobachtete ich unsere Bienen in einer Entfernung genau 5 km von unserer Belegstation.   Das Wetter an diesem Tag war zufällig günstig für einen Flug von 5 km Entfernung.

Bergzüge, Hochwald usw. haben jedoch einen beschränkenden Einfluß auf die Flugweite der Drohnen.

Abgesehen von einer mangelnden Isolierung, hat unzweifelhaft die traditionelle Verwendung von nur einem Dröhnerich folglich eine ungenügende Drohnendichte, oder auch eine ungenügende Anzahl begattungsfähiger Drohnen, die Hauptschuld an dem Versagen vieler Belegstationen.

Die Drohnendichte auf unserer Belegstation beträgt während der Zuchtsaison, vom 20. Mai bis 20. Juli, annähernd 15 bis 20 000 begatttungsfähige Drohnen, gegen eine jeweilige Höchstzahl von 500 Königinnen.

veröffentlicht in 1953,
in der Deutsche Bienenwirtschaft
vol. 4 (5)109-111, (6)128-131, (7)151-156
    und (8)161-166.
mit ihrer Erlaubnis.
Vortrag von Bruder Adam, O. S. B.,
St. Mary Abtei, Buckfast,
in Devon, Südengland.